Anonym: Edda | |
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nicht um Rache für Brynhilds Tod, und gleich in der zweiten Strophe scheinen sich die Giukungen dieses Grundes für Atlis Zorn bewust (vgl. Grimm Helsens. 12). Diesem ersten der beiden grönländischen Lieder scheint also der Sammler zu folgen (wenn von ihm Drap Niflunga herrührt), indem er die Feindschaft zwischen den Giukungen und Atli, welche doch dahin verglichen ward, daß dieser Gudrun zur Ehe nahm, daraus entspringen läßt, daß Gunnar und Högni alles Gold, Fafnirs Erbe, in Besitz genommen hätten. Auch hierin hat man eine Annäherung an die deutsche Sage gesehen, wenigstens wie sie die Wilkinas. vorträgt; in den Nibelungen ist es nicht Goldgier, was Etzel zur Einladung seiner Schwäger bestimmt. Die Verbrennung des Hauses Str. 42 stimmt aber mit der deutschen Sage auch nach der Darstellung in den Nibelungen.
Ob das Lied ganz auf uns gekommen ist, kann man zweifeln. Zwar daß Gunnar gegen Högnis Rath und seine eigene Überzeugung von der Gefährlichkeit der Reise und der lauschenden Hinterlist (Str. 11), so wie gegen den Rath der Freunde und Vertrauten mitten in der Str. 9 sich dem Entschluße gleichwohl zu fahren zuwendet, wird seinem verwegenen Muthe beizumeßen sein. Aber in Str. 20 oder vor derselben scheint eine Lücke, denn wenn es in der ersten Zeile heißt, Högni habe von Gunnar Gewalt abgewehrt, so ist das an sich, da dieser schon gefangen ist, unverständlich, wenn es sich nicht darauf bezieht, daß Högni nach Str. 24 sein Herz hergiebt, um Gunnars Leben zu erhalten. Dann vermisst man aber Auskunft darüber, ob er, der Str. 19 noch muthig und mit Erfolg kämpfte, seitdem gleichfalls gefangen ward oder sich freiwillig ergab. Die Frage an Gunnar, ob er Freiheit und Leben mit Gold erkaufen wolle, wird die Zumuthung enthalten, den Ort anzugeben, wo der Hort verborgen liege.
Die nächste Strophe kann man Gunnarn nicht wohl zutheilen, denn wenn auch die ersten Zeilen seine Weigerung enthielten, so lange Högni lebe den Hort zu verrathen, so ziemt doch der Befehl, ihm das Herz blutig aus der Brust zu schneiden, beßer in Atlis Munde, was auf eine Lücke deutet. Endlich ist Str. 28, die nur aus zwei Zeilen besteht, offenbar unvollständig, denn diese Worte Atlis, der den gefangenen Gunnar in den Thurm bringen heißt, wobei Atli selber mitreitet (vgl. St. 29. 32), dem Gunnar in den Mund zu legen, wie Ettmüller will, geht nicht wohl an, daß dieser nicht wißen kann, welches Schicksal seiner zunächst harrt.
Die prosaische Schlußzeile verweist auf die weitläufigere Ausführung in dem grönländischen Atlamal. Von ihm ist uns allein bezeugt, daß es diesen Beinamen führt, den man gewöhnlich auch der Atlakwida beilegt
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/460&oldid=- (Version vom 31.7.2018)