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Anonym: Edda

diesen Heimir und Sigurds zweite Verlobung mit Brynhild als ursprünglich zu halten, scheinen mir verfehlt: sie können sich nur auf Interpolationen berufen, die mit der Aslaugsage gleiche politische Zwecke gehabt haben mögen.

In Agnars Dienst also fällte sie Hialmgunnarn in der Schlacht, welchem Odhin, wie es in Sigurdrifaslied heißt, Sieg verheißen hatte. Darüber ward Odhin zornig und stach sie mit dem Schlafdorn. Sie sollte, gebot er, nicht länger Walküre sein, sondern einem Manne vermählt werden. Sie aber gelobte, sich keinem zu vermählen, der sich fürchten könne. Dem gemäß ward bestimmt, daß nur der ihren Schlaf solle brechen können, der wie unsere Str. 9 sagt, immer furchtlos erfunden würde. Darauf umschloß sie Odhin mit Schilden und umgab ihre Burg mit Feuer, offenbar, weil hierin die Bürgschaft lag, daß sie von Keinem erweckt würde, bei dem die von ihr selbst gestellte Bedingung nicht zuträfe. Die Burg ist der Scheiterhaufen, wie wir aus Sig. Kw. III, 62 ersehen; diese Bedeutung des Worts lebt in Deutschland noch heute fort. Auch ein Saal wird die Burg genannt (Helr. 10), oder ein Gezelt (Sig. Kw. III, 63) oder eine Schildburg (Sigrdrifum. Einl.), weil aus zusammengefügten Schilden gleichsam ein Zelt gebildet wurde, wie es auch hier in der Einleitung heißt, Brynhilds Leichenwagen sei mit Prachtgeweben umzeltet gewesen. „Mit Schilden ist gezeltet auf euern Schiffen“ heißt es im ersten der drei Helgilieder Str. 12, als Atli in der ersten Hälfte der Nacht die Warte hatte, und Helgi noch schlief, den er erst Str. 24 aufweckt, und Str. 26 des andern wirft der Steurer die Schiffszelte nieder um die Helden zu erwecken, worauf es in der folgenden Str. heißt: Schild scholl an Schild. Wir sehen daraus, daß es Sitte war, die Schilde in der Nacht so zusammenzufügen, daß sie eine Burg um die Schlafenden bildeten. So soll auch nach dem dritten Sigurdsliede Str. 63 die Burg, worin Brynhild mit Sigurd verbrannt sein will, mit Zelten und Schilden umzogen werden. Eine solche Schildburg umschloß also nach unserer Str. 9 auch die schlafende Brynhild, und zwar so dicht, daß die Ränder sie berührten; ihr Saal aber ward, eben diese Schildburg, mit wallendem Feuer (Wafurlogi) umgeben. Wenn die Einleitung zu Sigurdrifaslied angiebt, aus der Schildburg habe oben heraus ein Banner gestanden, so sehen wir ein Gleiches bei Skeaf im Eingang des Beowulf beobachtet. Auch Er liegt auf dem Todesbette. Als zuletzt Beowulf bestattet wird, finden wir auch seinen Scheiterhaufen Burg genannt und mit Schilden und andern Waffen umgeben. Vergl. über Burg Handbuch der Mythologie §. 148 und Meine Übersetzung des Beowulf S. 202.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/449&oldid=- (Version vom 31.7.2018)