Anonym: Edda | |
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entstandene, Lesart in der Nornagestsage C. 8 beweist, sich dem Verständniss entzog. Der Grund liegt wieder darin, daß der Dichter in seiner Zeit die Sage als bekannt voraussetzen durfte: er sagt darum nicht, wie der hochherzige (hugfullr) König genannt war, welcher Brynhilden und ihren acht Schwestern die Kleider unter die Eiche tragen ließ, worauf die zwölfjährige Brynhild dem jungen Fürsten (ungom gram) den Eid schwören muste. Aber die Vergleichung der folgenden Strophe lehrt, daß beidemal der junge Bruder Adas gemeint ist, der, wie wir aus Sigurdrifaslied wißen, Agnar hieß. Unsere Kenntniss der Sage erweitert sich hiedurch um ein wichtiges Stück. Wie Wölundur und seine Brüder die drei Schwestern (Str. 2. 8) in ihre Gewalt brachten, indem sie ihre Schwanenhemden wegnahmen, so ließ König Agnar Brynhilden und ihren Schwestern die Fluggewande unter die Eiche tragen, wodurch die zwölfjährige Brynhild gezwungen wurde, ihm den Eid zu leisten und als Walküre für ihn Kriegsdienste zu thun. Die acht Gespielinnen Brynhildens müßen so wenig ihre leiblichen Schwestern gewesen sein als die drei Schwanenmädchen des Wölundurliedes alle Schwestern waren, obgleich sie so genannt werden. Übrigens scheint hier ein Unterschied zu beachten: im Wölundurliede sollten die Mädchen, die früher das Kriegsgewerbe getrieben, als die Brüder sie gefangen nahmen, aufhören Walküren zu sein und Hausfrauen werden. Hier verhält es sich anders: auch die acht Schwestern waren schon früher Walküren gewesen, da sie Flug- oder Schwanenhemden beseßen hatten; aber sie sollten nun dem Agnar Kriegsdienste leisten, zu seinen Gunsten die Geschicke der Schlacht zu entscheiden geloben. Durch diesen Zwang, den ihr Agnar anthut, zieht sich Brynhild Odhins Zorn zu, der sie mit dem Schlafdorn sticht und in den Schlummer senkt, aus dem sie nur Sigurd erwecken konnte. So wird ihre Verlobung mit Sigurd herbeigeführt, die durch den Verrath der Söhne Giukis rückgängig wurde, da diese sie eidbrüchig, ihrer Liebe verlustig machten. Wenn Str. 7 sagt, man habe sie seitdem in Hlindalir Hild unterm Helme, d. h. da Hilde eine nordische Kriegsgöttin ist, Walküre geheißen, so liegt auf Hlindalir der Ton: es wird das Reich König Agnars sein, der vermuthlich auch Str. 11 unter ihrem Hüter oder Pfleger gemeint war. Später bezog man freilich Hlindalir auf Heimir, wie es D. 62 geschieht, wozu gerade unser Lied Veranlaßung gegeben haben mag, denn als sich die schon bei Gripisspa als problematisch bezeichnete Sage von Sigurds Zusammentreffen mit Brynhild bei Heimir bildete, der wie in Wölsungas. c. 32 ihr Pfleger heißt, mochte man ihm durch Verwechselung mit Agnar Hlindalir zutheilen. Alle Versuche,
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/448&oldid=- (Version vom 31.7.2018)