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Anonym: Edda

in Besitz der Goldschätze des Niarenlands gekommen sei, aus denen er so viele Kleinode geschmiedet habe. Mit dieser Frage gedenkt er die Gewaltthat der Entführung Wölundurs zu beschönigen. Aber dieser antwortet: „Hier war kein Gold zu erwerben, also kann ich es Euch nicht entwendet haben. Dieß Land ist fern von den Felsen des Rheins, aus dessen Goldwäschen alles Gold stammt. In unserer rheinischen Heimat, der ihr mich gewaltsam entrißen habt, mochten wir des Goldes leicht noch mehr erwerben.“ Wölundurs (Wielands) rheinische Heimat, für die wir hier ein Eddisches Zeugniss haben, bezeugt auch Galfred von Monmouth in den Worten:


Pocula, quae sculpsit Guilandus in urbe Sigeni.


Das Sigener Land, noch jetzt durch Bergbau berühmt, war schon im frühen Mittelalter wegen kunstreicher Erzarbeiten weithin bekannt. Über die rheinischen Goldwäschen, der thatsächlichen Grundlagen des mythischen Nibelungenhorts, vgl. Atlakw. 15 und Mein Handb. d. d. Myth. §. 115.


18. Das Lied von Helgi dem Sohne Hiörwards.

Bei Rask heißt dieß Lied Helgaquida Hatingaskatha, weil die Bemerkung am Schluß des zweiten Liedes von Helgi dem Hundingstödter daß dieser als Helgi Haddingjaskathi wiedergeboren sei, in die Überschriften der Lieder Verwirrung gebracht hatte. Jener Haddingische Helgi war eine zweite Wiedergeburt des Helden unseres Liedes, der zuerst als Helgi der Hundingstödter wiedergeboren ward, mithin kann der Beinamen Haddingjaskathi dem ersten Helgi nicht zukommen. Die Kara-Lieder, welche jene zweite Wiedergeburt behandelten, sind verloren gegangen.

Von Helgi, dem Sohne Hiörwards, weiß die Wölsungasage nichts; nur den Inhalt der beiden Lieder von Helgi dem Hundingstödter hat sie aufgenommen. Den Inhalt unseres Liedes berichtet auch keine andere Quelle, er scheint eine nordische Zuthat, welche die Aneignung der beiden andern Helgilieder, deren deutscher Ursprung wahrscheinlich ist, vermitteln sollte. Die Verbindung kann nicht loser sein: sie beruht nur darauf, daß dieser Helgi, der Sohn Hiörwards, als Sigmunds Sohn Helgi wiedergeboren sein soll, wie denn noch eine neue Wiedergeburt in jenen verlorenen Karaliedern angenommen ward, die wohl auch hinzugedichtet wurden, als die Lieder von Helgi dem Hundingstödter den wohlverdienten allgemeinen Anklang fanden. Bei unserm Liede mögen echte Sagen benutzt worden sein, es hat eine durchaus altertümlich nordische Färbung, auch soll sein poetisches Verdienst nicht herabgesetzt werden; wir zweifeln nur ob

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Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/432&oldid=- (Version vom 31.7.2018)