Anonym: Edda | |
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angehört, die zu bekämpfen die Götter und ihr späterer Niederschlag, die Helden, berufen sind, liegt das Hinderniss ihrer Verbindung mit Freyr. Gerdas Schönheit widerspricht solcher Abkunft nicht; aber nur gezwungen wird sie im Kreise ihrer Verwandten zurückgehalten. Dieser Zwang ist Str. 9. 17 in der flackernden Flamme ausgedrückt, die ihren Saal umschließt, so wie weiterhin in dem Zaun, der von wüthenden Hunden bewacht wird. Jene Waberlohe, die in der Sigurdssage zweimal vorkommt, wie auch in dem nahe verwandten Fiölswinsm. 2. 5, bedeutet nach Grimms Abhandlung über das Verbrennen der Leichen die Glut des Scheiterhaufens, der mit Dornen unterflochten ward, weshalb in dem Märchen von Dornröschen eine undurchdringliche Dornhecke die Waberlohe vertritt. Dieß und Str. 12 und 27 laßen vermuthen, daß es die Unterwelt ist, in die sie gebannt erscheint, wodurch ihr Mythus mit dem von Idun, der in dem folgenden Liede ausgeführt ist, in Beziehung tritt, zumal an diese schon die goldenen Äpfel Str. 19 erinnern. Gerda erscheint hienach als die im Winter unter Schnee und Eis befangene Erde, die wir aus D. 10 als eine Riesentochter kennen. (Andere nehmen Gerda wie Thors Tochter Thrudr in Alwismal für das Saatkorn.) Im Winter in der Gewalt dämonischer Kräfte zurückgehalten, wird sie von der rückkehrenden Sonnenglut befreit. Freyrs Diener Skirnir (von at skirna clarescere), der Heiterer, erhält den Auftrag, sie aus jenem Bann zu erlösen, und dem belebenden Einfluß des Lichts und der Sonnenwärme zurückzugeben. Ihre Verbindung mit Freyr geschieht dann in dem Haine Barri d. i. dem grünenden, also im Frühjahr, wenn Freyr längst die brüllenden Sturmwinde bezwungen hat.
Was bedeutet es aber, wenn Freyr um in Gerdas Besitz zu gelangen, sein Schwert hingiebt, das er beim letzten Kampfe vermissen wird? Hier sehen wir uns doch genöthigt, Freyr als den Sonnengott zu faßen und sein Schwert als den Sonnenstral. Er giebt es hin, um in Gerdas Besitz zu gelangen, d. h. die Sonnenglut senkt sich in die Erde um Gerdas Erlösung aus der Haft der Frostriesen zu bewirken, die sie unter Eis und Schnee zurückhalten und von wüthenden Hunden, schnaubenden Nordstürmen bewachen laßen. Da dieß alljährlich geschieht, so kann der Mythus ursprünglich mit dem von dem letzten Weltkampf in keiner Verbindung gestanden haben: er bezog sich auf das gewöhnliche Sonnenjahr; auf das große Weltenjahr ward er erst später umgedeutet und D. 37 nahm erst aus Ögisdr. 42 dazu den Anlaß. In Skirnisför ist nirgend angedeutet, daß sich Freyr durch die Hingabe des Schwerts für den letzten Kampf untüchtig
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/412&oldid=- (Version vom 31.7.2018)