Anonym: Edda | |
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großartig sind. War dort ein Wettgespräch Odhins mit dem Riesen, bei dem das Haupt zur Wette stand, zur Form der Belehrung über die höchsten mythologischen Dinge benutzt, so giebt hier ein Fragespiel Thors mit dem Zwerg, bei dem es um eine Braut gilt, Veranlaßung, eine Reihe poetischer Synonyme vorzuführen, die für uns kaum mehr Werth haben als die Heiti (S. Einl.) der Skalda, zu welchem dieß Lied als ein Übergang betrachtet werden darf. Beide Einkleidungen beruhen also auf dem uralten mythischen Gebrauch der Räthselfragen, bei welchen das Haupt des Verlierenden zu Pfande zu stehen pflegt, wonach in Wafthrudnismal der Riese unterliegt; in Alwismal, wo von keiner Strafe die Rede ist, der Zwerg eigentlich siegen und den verheißenen Lohn, die Braut, davontragen müste. Um diesen wird er aber durch eine List gebracht, die wir als einen Vorzug des Rahmens unseres Liedes vor dem von Wafthrudnismal ansehen müsten, wenn nicht auch dort der Sieg gewissermaßen durch eine List entschieden würde, indem Odhin eine Frage vorlegt, die ihrer Natur nach Niemand als er selbst beantworten konnte.
Betrachten wir nun zunächst den Rahmen unseres Liedes, so kann die Tochter Thors nur jene Thrud sein, die wir aus Skaldskap. C. 4. 21 als Thors mit Sif erzeugte Tochter kennen. Sif läßt sich ihrer von den unterirdischen Zwergen gewirkten goldenen Haare wegen mit gleicher Sicherheit auf das Getreidefeld deuten als Thors Hammer auf den Donnerkeil, und da wir im Harbardslied Thors Bezug auf die Feldbestellung kennen gelernt haben, so kann die Tochter solcher Eltern nicht weit vom Stamme gefallen sein. Doch gehen wir auf ihre mythische Deutung nur darum ein, weil ohne sie die Verlobung eines uns als so schön geschilderten Mädchens an den bleichnasigen Zwerg immer befremdend bliebe. Nachdem Uhland den Namen Thruds auf das nährende stärkende Erdmark, auf die im Korn liegende Nährkraft bezogen und demgemäß auch Thors Gebiet Thrudheim oder Thrudwang als das fruchtbare, nährkräftige Bauland erklärt hat, deutet er den Mythus des Rahmens in folgender uns sehr glücklich scheinender Weise:
„Der Gott verweigert und entrafft seine Tochter dem Zwerge, dem sie in seiner Abwesenheit verlobt worden. Daß diese Tochter jung, schönglänzend u. s. w. genannt wird, passt ganz auf das neugewachsene und neues Leben beginnende, goldfarbige, weißmehlige Saatkorn. Der Zwerg ist sehr bestimmt als Unterirdischer, als lichtscheuer, unheimlicher Erdgeist gezeichnet, er haust unter Erd und Stein, er ist Thursen ähnlich, bleich ist er um die Nase als hätt er die Nacht bei Leichen zugebracht, die ja auch in der dunkeln Erde liegen und zur Nachtzeit herauskommen (Hrafn. 25). Ist
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/407&oldid=- (Version vom 31.7.2018)