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Anonym: Edda

nach, ahnte er nicht, und doch läßt unsere Stelle vermuthen, daß es solche Lieder, wie das hier gemeinte Runenlied waren, die sie in den Schild sangen, um heil in den Kampf, heil aus dem Kampfe zu ziehen. Die Sache würde ganz außer Zweifel sein, wenn die Urschrift nicht gerade hier ein anderes Wort für Schild, das auch in Deutschland bekannte rand, gebrauchte. Die Lesart baritus ist nicht bloß handschriftlich unbeglaubigt, sie giebt auch keinen Sinn, denn das friesische baria heißt nicht sowohl clamare, laut rufen R. A. 855. 876, als gleich dem entsprechenden althochd. paron detegere, manifestare. Vgl. Richthofen 619. Grimm Wörterb. I. 1121. So heißt es in einem angelsächs. Liede: Vordum and bordum hovon herecombol: sie erhoben die Heerfahne mit Worten und Borden (Schilden). Barditus ist abgeleitet wie fulliths; Müllenhoff Zeitschrift IX, 242. Daß bardhi für Schild mehr ein tropischer Ausdruck ist, scheint mir nicht entgegenzustehen.

Str. 161. Delling ist nach D. 10 der Vater des Tages, Volkrörir (vgl. Odhrörir), der die Völker aufregt, als etwa ein früher Morgentraum, denn er fällt noch in die Nacht vor Dellings Schwelle, d. h. eh des Tages Pforte sich erschließt. Die Nacht kräftigt alle Wesen: diese vom Volkrörirsliede auf Odhins Runenlied übertragene Wirkung ist hier auf die einzelnen Wesenarten angewandt und als Stärke, Gedeihen und Weisheit unterschieden. Vgl. Lüning S. 294.


7. Harbardslied.

Die bisher betrachteten Lieder gehörten eigentlich alle dem Mythus von Odhin an, zu dem im weitern Sinne auch der von Baldur gerechnet wird, da von diesem Gotte nichts als sein Tod bekannt ist, den zu verhindern sich Odhin vergebens bemüht. Dem Mythus von Odhin steht aber der von Thor gegenüber, welchem die vier folgenden Lieder gelten. Beide Kreise verbindet nun das gegenwärtige Gedicht, das keinen andern Gegenstand hat als das Wesen beider Götter durch den Gegensatz anschaulich zu machen. Diesen Gegensatz spricht Uhland Mythus des Thor 21 in folgenden Worten aus: „Odhin das Haupt der Asen, der auch dem Namen nach der Gott des lebendigen Geistes ist, durchforscht rastlos die Welt und stärkt die Sache der Götter, indem er überall geistiges Leben weckt und den irdischen Heldengeist zu höherm Berufe, zur künftigen Theilnahme an gem großen Götterkampf in seine himmlische Halle heranzieht. Dagegen ist Thor, Odhins kräftigster Sohn, vorzugsweise Beschirmer der Erde, deren Anbau er begründet, deren Fruchtbarkeit und Freundlichkeit er zum

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/392&oldid=- (Version vom 31.7.2018)