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Anonym: Edda

geziemen, da er überall als der Vielgewanderte gedacht ist und ihm besonders der Schutz der Gastfreiheit oblag. Eine strenge Anordnung war aber bei der Mannigfaltigkeit des dem Dichter vorliegenden Stoffes nicht durchzuführen und so sehen wir schon mit Str. 32 den Übergang zu den Regeln über das Verhalten gegen Freunde begonnen, das mit Str. 39 entschiedener zum Gegenstand, und bis Str. 51 besonders in Bezug auf das Schenken besprochen wird. Von da ab bis 66 sind die Strophen ziemlich bunt durcheinander gewürfelt, obgleich die frühern Themata noch nicht gänzlich verlaßen scheinen. Mit Str. 67 beginnt offenbar ein neues, welches Dietrich (Zeitschrift III, 400) mit „Vergleichung der Güter des Lebens“ bezeichnet. Von Str. 80 nehmen die Sprüche mehr einen Priamelartigen Charakter an. Von Str. 89 abwärts beziehen sie sich, anfangs noch in diesem Charakter fortgehend, auf die Frauenliebe; Str. 94 bildet den Übergang zu der Episode von Billungs Tochter, ebenso ist Str. 102. 103 als Einleitung zu der zweiten von Gunnlödh anzusehen, womit dieser erste Haupttheil abschließt.

12. 13. Da wir von den einzelnen Strophen nur die wenigen besprechen wollen, über die wir eine Bemerkung auf dem Herzen haben, so kommen wir gleich zu den beiden Strophen, die wir oben als erste Episode von Gunnlödh bezeichneten. Diese schöne Stelle, welche die Übersetzung fast schon hinlänglich erläutert hat, stimmt nicht ganz zu der Erzählung in D. 57. Nicht in Fialars, sondern in Suttungs Felsen hatte Odhin den Meth getrunken, wie auch in unserer zweiten Episode über diesen Mythus angenommen scheint. Fialar hieß D. 57 einer der Zwerge, welche Kwasir tödteten und aus seinem mit Honig vermischten Blut den Meth der Begeisterung gewannen. Der Verfaßer der Strophe, welche der Sammler hier aufgenommen hat, scheint also von einer andern Gestalt dieser Göttersage auszugehen. Ferner, nicht als Reiher, als Adler entfliegt Odhin; aber nach der bekannten kühnen Dichtersprache des Nordens steht Ein großer Vogel anstatt des andern. „Als Odhin den ersehnten Trank schlürfte und der schönen Riesin theilhaftig wurde, feßelten ihn Adlerschwingen.“ Hierin findet Grimm Myth. 1086 den erhabensten Rausch der Unsterblichkeit und zugleich Dichtkunst geschildert, und zürnt den nordischen Auslegern, welche eine Beschreibung gemeiner Trunkenheit darin finden, vor deren Folgen ein isländisches Gedicht unter dem Titel ominnis hegri warne. Nicht zu läugnen ist gleichwohl, daß Str. 11, welche die Einleitung zu unserer kleinen Episode bildet, vor Betrunkenheit warnt und selbst Str. 13 von dieser Absicht nicht frei ist. Vgl. M. Handb. §. 7 und §. 76.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/387&oldid=- (Version vom 31.7.2018)