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Anonym: Edda

unserer Wegtamskwida, bildet. Daß dieß mit dem Morgen beginnt und nur den Raum des nächsten Tages zu füllen braucht, wird deutlicher, wenn man nach der ersten Strophe, wo die Asen sich bei der Gerichtsstätte versammelt haben, was in der Frühe zu geschehen pflegt, die eingeklammerten vier Strophen, die sich nur in spätern Handschriften finden und den Eindruck schwächen, hinwegdenkt. Offenbar sollen sie Vorhergegangenes nachholen, wobei sie aber arge Verwirrung anrichten, und sogar den Schein erregen als ob von einer doppelten Versammlung an der Gerichtsstätte die Rede wäre, obgleich der Verfaßer eigentlich nur die Veranlaßung zu der in der ersten Strophe erwähnten angeben will. Arge Verwirrung scheint es uns, wenn St. 4 schon der Eide gedenkt, die alle Wesen schwören musten, Baldurn nicht zu schaden, denn zu diesem Auskunftsmittel, das vollkommen beruhigen muste, konnte nicht gegriffen werden ehe der Ausspruch der Wala ergeben hatte, daß Baldurs Leben bedroht sei. Zwar sollen dieß nach Str. 2 und 3 schon andere vorschauende Wesen angesprochen haben; aber damit würde der Grund zu Odhins Besuch bei der Wöla hinwegfallen und das ganze Gedicht müßig sein. Ja selbst mit der ersten Strophe, welche durch diese eingeschobenen doch erläutert werden soll, steht dieß im Widerspruch, denn die Asen brauchten sich nicht erst zu berathen, was Baldurs böse Träume bedeuten möchten, wenn sie schon wüsten, daß er dem Tode bestimmt sei. Nur bei der Annahme, daß sie von dem Verfaßer des Vorspielliedes eingeschoben sind, begreifen sich diese Strophen. Dieß hat jetzt auch der neueste Herausgeber des Textes angenommen.

Unser Lied ist auch nach den in der ersten Strophe erwähnten Träumen Baldurs (Baldrs draumar) benannt. Den andern Namen führt es nach jenem, welchen sich darin Odhin beilegt. Wegtam bezeichnet den wegkundigen Wanderer, wie Waltam (so nennt er seinen Vater) den schlachtgewohnten Krieger. Ähnliche Beinamen Odhins, die wir zum Theil schon kennen, sind Gangradr, Gangleri, Widförull und Saxos viator indefessus. Eine Erklärung bedarf in unserm Liede nur Str. 16, von der wir gestehen müßen, sie mit großer Freiheit übertragen zu haben. Wörtlich heißt die von Odhin gestellte Frage: „wie heißen die Mädchen, die nach Willkür weinen u. s. w.,“ was man auf die Meereswellen, die Wolken oder Walküren zu beziehen pflegt. Wie aber dann an dieser Frage Odhin erkannt werden könnte, sähen wir nicht ab: darum haben schon andere vor uns vermuthet, Odhin frage nach dem Namen des Weibes, die nach dem Schluße von D. 49 Baldurs Tod nicht beweinen wollte. Freilich liegt dieß Ereigniss weit hinter Baldurs hier erst geweißagtem Ende, aber auch die

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/384&oldid=- (Version vom 31.7.2018)