Seite:Die Edda (1876).djvu/365

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Anonym: Edda

25. 26. Schon in den Strophen 21 und 23 sprach die Seherin von sich in der dritten Person. Da sie aber Anfangs von sich in der ersten gesprochen hatte, so war es nicht nöthig in den folgenden Strophen die dritte Person herzustellen, namentlich nicht in den Strophen 24 und 39. Str. 26 kann ich aber nicht auf die Seherin beziehen, obgleich darin von einer Wala die Rede ist. Zunächst ist deutlich, daß noch immer von Gullweig (der Goldstufe oder der Goldkraft, dem flüßigen Gold) gesprochen wird, von der es in der vorhergehenden Strophe hieß, da sei zuerst der Mord in die Welt gekommen als man sie mit Gabeln oder Geeren gestoßen und gebrannt habe. Aber die Handschriften, welchen Rask folgt, verkehren die Ordnung dieser Strophen und Grimm (Myth. 374) nimmt sowohl Gullweig als Heid für Namen, die sich unsere Wala selber beilege. Dieser Meinung, welcher auch Sophus Bugge, einer der neuesten Herausgeber des Textes, anhängt, kann ich nicht beitreten, weil die Seherin sowohl von dem Golde als von dem Reichtum, die unter diesen beiden Namen personificiert sind, ungünstig spricht. Das goldene Zeitalter nahm ein Ende, wie treffend gesagt worden ist als das Gold erfunden ward, und die Schöpfung der Zwerge, die es aus der Erde gewinnen, fällt nicht mehr in die Unschuldszeit der Götter, die noch die Gier des Goldes nicht kannten. Als man die Goldstufe mit Gabeln stieß und in der Halle schmelzte, da zuerst kam der Mord in die Welt. Wenn das so ausgedrückt wird, als ob der Mord an der Goldstufe selbst vollbracht wäre, so mag dieß eben nur poetische Einkleidung sein. Daß die Seherin das Gold für verderblich ansieht, wie dieß auch in der Heldensage geschieht, und sich also unter Gullweig und Heidr nicht selber verstehen kann, beweist mir die ganze Str. 26 und ganz entschieden ihr Schluß:


Übler Leute   Liebling allezeit.


27. Wie die zweite Hälfte dieser Str. hier übersetzt ist, steht sie mit dem Vorhergehenden nach unserer Deutung der Str. 25 und 26 im besten Zusammenhang. Die Einführung der Sühnopfer, nachdem durch das Gold Untreue (afrâdh) in die Welt gekommen, zeigt uns die Welt schon von dem sittlichen Verderben erfaßt, das in den nächsten drei Strophen die Götter sogar unter sich uneinig, ja wort- und eidbrüchig werden läßt.

28. Die erste Langzeile Str. 25 kehrt hier als Schlußzeile wieder: das Übel, das durch das Gold in die Welt gekommen war, erscheint hier als ein Krieg unter den Göttern selbst, und zwar muß jener erste Wanenkrieg gemeint sein, der nach D. 23. 57 durch den Friedensschluß beendet ward, welcher den Njörd mit seinen Kindern als Geisel zu den

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/365&oldid=- (Version vom 31.7.2018)