Anonym: Edda | |
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Mit geringer Veränderung läßt sich aber der Einschnitt herstellen und diese Langzeile in zwei Halbzeilen zerlegen. Z. B.:
Wenn die Lohe Surturs losch.
Oder:
Und den Krieg zu Ende kämpfen.
Hieraus ergiebt sich, wie das Liodhahattr aus der zuerst beschriebenen Weise des Fornyrdalags entsprang und nur eine Variation desselben ist, weshalb es nicht selten zweifelhaft bleibt ob eine achtzeilige oder sechszeilige Strophe anzunehmen ist. Man findet auch neunzeilige, dem Liodhahattr angehörige Gesetze, die sich dann in drei gleiche Theile zerlegen. Ebenso wird das zuerst besprochene gewöhnlich achtzeilige Gesetz, auf welches wir den Namen des Fornyrdalags einschränken dürfen, oft durch vier weitere Strophen gemehrt, anderer Abweichungen nicht zu gedenken.
Über den poetischen Werth der Edda hat sich bei uns noch kein Urtheil festgestellt und konnte es kaum so lange noch keine Nachbildung vorlag. Nur die Thrymskwida, freilich eines der schönsten Lieder, hat in Chamissos doch nicht ganz genügender Übertragung Anerkennung gefunden. Mir wird man kein Urtheil zutrauen, weil Übersetzer gewöhnlich überschätzen. Doch würde ich, wenn man mich gleichwohl hören wollte, gerne zugeben, daß nicht Alles von gleicher Kraft ist, wie denn selbst manche der besten und ältesten Lieder durch spätere matte Zusätze geschwächt sein mögen. Ich gestehe gern, daß mir Gripisspa wenig und selbst das dritte Sigurdslied nur in seinen echten alten Theilen einen mächtigen Eindruck macht. Sogar in Wafthrudnismal und Grimnismal, wie eigenthümlich und großartig sie angelegt sind, finde ich im Einzelnen das mythologische Verdienst bedeutender als das poetische. Von ersterm dünkt mich Alwismal eine schwache Nachahmung, wie Grôugaldr von Odhins Runenlied, einem ursprünglich selbständigen Theil des unschätzbaren Hawamals. Auch die drei Gudrunenlieder schlag ich nicht zu hoch an; im ersten, dessen Verdienst ich sonst anerkenne, erregt mir zwar nur der Schluß Bedenken; das dritte ist offenbar spät und unter fremden Einflüßen entstanden, und selbst das zweite, dem großer Reiz beiwohnt, ermangelt doch der vollen Kraft der alten Lieder. So auch Oddrunargratr, das ein unechtes schon romantisches Motiv in die Sage bringt. Beßer sind die beiden Atlilieder, obwohl überkünstelt und der alten einfachen Größe fern, die in Gudrunarhwöt und
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/357&oldid=- (Version vom 18.8.2016)