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Anonym: Edda

Wir hielten euch Stand,   da wir heil waren:
Nun sind wir so wund,   du hast volle Gewalt. —

57
Da redete Beiti,   der Burgwart Atlis:

„Laßt uns Hialli fangen   und Högni schonen.
Uns hilft das halbe Werk,   und ihm gehört sich das:
Wie lang er leben mag,   ein Lump doch bleibt er.“

58
Der Hafenhüter erschrak   und hielt nicht Stand;

Er krisch und klagte   und kroch in alle Winkel:
Ihr Streit bekäm ihm schlecht,   den er schuldlos büße;
Unselig sei der Tag,   da er von der Schweinmast käme
Und der feißten Kost,   der er lang sich erfreut.

59
Budlis Schergen zogen   und schliffen das Meßer;

Der arme Schalk schrie   eh er die Schärfe fühlte:
Nicht zu alt noch war er   die Äcker zu düngen;
Gern schaff er das Schmählichste,   wenn er Schonung fände,
Und lache dazu,   behielt’ er das Leben nur.

60
Högni berieth sich,   so rasch thät’ es Keiner,

Für den Gimpel zu bitten,   daß er entginge.
„Dieß Spiel besteh ich   viel leichter selber:
Wer wollte weiter   solch Gewinsel hören!“

61
Sie ergriffen den Guten;   es gab keine Wahl mehr

Des raschen Recken   Gericht zu verschieben.
Hell lachte Högni,   es hörten die Männer
Wie kampflich er konnte   die Qual erdulden.

62
Die Zither nahm Gunnar,   mit den Zweigen der Füße

Konnt er sie schlagen,   daß die Schönen klagten,
Die Helden sich härmten,   die ihn hörten spielen.
Rath sagt’ er den Reichen,   daß entzwei rißen Balken.

63
Die Theuern waren todt   bei Tagesanbruch;

Ihnen überlebte   allein die Tugend.

64
Stolz war Atli,   stieg über beide,

Sagte Harm der Hehren   und höhnte sie noch:
„Morgen ists, Gudrun:   du missest deine Holden.
Du selbst hast Schuld,   daß es so erging.“

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/242&oldid=- (Version vom 31.7.2018)