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Anonym: Edda

41
„Wenig gewahrt man noch   was ihr wider uns vorhabt.

Euch sehn wir unbereit;   wir aber schlugen
Und erlähmten Einen   von Euerm Geleit.“

42
Wuthgrimm wurden   die das Wort vernahmen.

Sie reckten die Finger,   faßten die Schnüre
Und schoßen scharf,   mit den Schilden sich deckend.

43
Nun ward es innen kund   was außen geschah.

Sie hörten der Knechte   Gespräch vor der Halle.

44
Der Geist trieb Gudrunen,   da sie das Graun vernahm:

Im Zorn zerrte sie   die Zierde der Halsketten,
Schleuderte das Silber,   daß die Ringe schlißen.

45
Aus ging sie, unsanft   die Angeln schlagend,

Furchtlos trat sie vor   und empfing die Gäste,
Liebkoste den Niflungen   (der letzte Gruß wars)
Mit Herzen und Halsen;   dann hub sie an und sprach noch:

46
„Ich sandt ein Sinnbild   euch zu schrecken damit;

Dem Schicksal widersteht man nicht:   ihr solltet nun kommen.“
Noch vermitteln möchte sies   mit manchem klugen Wort;
Niemand rieth dazu,   nein, riefen Alle.

47
Da sah die Seliggeborne   den bittern Kampf begonnen.

Erkeckt zu kühner That   warf sie das Kleid hin,
Schwang das bloße Schwert   und schützte der Freunde Leben.
Behaglich war sie nicht im Kampf   wohin sie kam.

48
Giukis Tochter traf   tödlich zwei Männer.

Den Bruder Atlis schlug sie,   daß man ihn bahren muste:
Bis ein Fuß ihm fehlte   focht sie mit ihm.
Den Andern hieb sie also,   daß er Aufstehns vergaß:
Den hatte sie zu Hel gesandt;   ihre Hände bebten nicht.

49
So ward die Wehr hier,   daß es weltkund ist;

Doch ging über Alles gar   was die Giukungen wirkten.
So lange sie lebten   ließen die Niflungen
Die Schwerter schwirren,   schwinden die Brünnen;
Helme zerhieben sie   nach Herzensgelüsten.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/240&oldid=- (Version vom 31.7.2018)