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Anonym: Edda

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Da erscholl auf den Sitzen   lautes Schrein der Männer,

Der Weiber ängstlicher Wehruf:   sie weinten die Hunnensöhne.
Gudrun ganz allein nicht:   die grimme weinte nie!
Nicht die bärkühnen Brüder   noch die süßen Gebornen,
Die zarten, unmündgen,   die sie mit Atli gezeugt.

39
Da säte Gold aus   die Schwanenweiße,

Mit rothen Ringen   bereifte sie die Knechte.
Den Vorsatz zu vollführen   ließ sie fließen das Erz;
Die Spenderin schonte   der Schatzhäuser nicht.

40
Unklug hatte Atli   sich übertrunken;

Unbewehrt war er,   ungewarnt vor Gudrun.
Oft schien beßer der Scherz,   wenn sanft die beiden
Sich öfters umarmten   vor den Edelingen.

41
Mit dem Dolch gab sie Blut   den Decken zu trinken

Mit mordlustger Hand;   sie löste die Hunde;
Vor die Saalthür warf sie,   das Gesinde weckend,
Die brennende Brandfackel   die Brüder zu rächen.

42
Alles Volk in der Veste   dem Feuer gab sie,

Die Högnis Schlächter und Gunnars   aus dem Schwarzwald kehrten.
Die alten Säle sanken,   die Schatzkammern rauchten,
Der Budlungen Bau;   da brannten die Schildmägde
Um die Jugend betrogen   jäh in heißer Glut.

43
Nicht ferner verfolg ichs;   keine Frau wird nun

Die Brünne mehr tragen   und die Brüder rächen.
Volkskönge drei   hat die edle Frau
In den Tod gesandt   eh sie selber erlag.


Ausführlicher ist dieß in dem grönländischen Atlamal erzählt.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/234&oldid=- (Version vom 31.7.2018)