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Anonym: Edda

22
Sie hieben das Herz da   aus Hiallis Brust:

Blutig auf der Schüßel   brachten sies Gunnarn.

23
Da sagte Gunnar,   der Goten Fürst:

„Hier hab ich Hiallis   Herz des blöden,
Ungleich dem Herzen   Högnis des kühnen.
Es schüttert sehr hier   auf der Schüßel noch;
Da die Brust es barg   bebt’ es noch mehr.“

24
Hell lachte Högni,   da sie das Herz ihm schnitten.

Keiner Klage gedachte   der kühne Helmschmied.
Blutig auf der Schüßel   brachten sie’s Gunnarn.

25
Froh sprach Gunnar,   der fromme Niflung:

„Hier hab ich das Herz   Högnis des kühnen,
Ungleich dem Herzen   Hiallis des blöden.
Man sieht es nicht schüttern   auf der Schüßel hier;
Da die Brust es barg   bebt’ es noch minder.

26
„Bleib, Atli, nun aller   Augen so fern,

Wie du stäts den Schätzen   sollst verbleiben.
Allein weiß Ich nun   um den verborgnen
Hort der Hniflungen,   da Högni todt ist.

27
„Zweifel hegt’ ich zwar,   da wir Zweie waren;

Nun Ich nur übrig bin,   ängst ich mich nicht mehr.
Nur der Rhein soll schalten   mit dem verderblichen Schatz:
Er kennt das asenverwandte   Erbe der Hniflungen.
In der Woge gewälzt   glühn die Walringe mehr
Denn hier in den Händen   der Hunnensöhne.“ —

28
„Herbei nun mit dem Wagen!   in Banden ist der Held.“


29
Auf muthger Mähre fuhr   der mächtige Atli,

Von Schwertern bewacht   sein Schwager daher.
Mit Harm sah Gudrun   der Helden Leid:
Den Thränen wehrend trat sie   in die tosende Menge:

30
„So ergeh es dir, Atli,   wie du Gunnarn hältst

Oft geschworne Eide,   die ihr einst gelobt

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/232&oldid=- (Version vom 31.7.2018)