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Anonym: Edda

14
Himmelhoch in Atlis Land   hoben die Warten sich.

Sie sahn Verräther stehn   auf der steilen Felsburg,
Den Saal des Südervolks   mit Sitzen umgeben,
Gebundenen Rändern   und blanken Schilden,
Lanzen betäubenden:   da trank König Atli
Den Wein im Waffensaal;   Wächter saßen draußen
Gunnars Kriegern zu wehren,   wenn sie geritten kämen
Mit hallenden Spießen,   dem Herscher Streit zu wecken.

15
Ihre Schwester sah   dem Saale sich nahen

Die Brüder beide;   wohl war sie bei sich.
„Verrathen bist du, Gunnar!   Reicher, wie wehrst du
Hunnischer Hinterlist?   aus dem Hofe eile bald.

16
„Beßer die Brünne,   Bruder, trügst du

Als in häuslichen Hüllen   Atli heimzusuchen.
Säßest beßer im Sattel   den sonnenhellen Tag
Und ließest bleiche Leichen   leide Nornen klagen,
Hunnische Schildmägde   Harm erdulden,
Senktest Atli selber   in den Schlangenthurm.
Nun werdet den Wurmsaal   bewohnen ihr beiden.“ –

17
„Zu spät ists, Schwester, nun,   die Niflungen zu sammeln,

Zu lang dem Geleite   in dieß Land ist der Weg
Durch rauhes Rheingebirg   untadligen Recken.“

18
Da fingen sie Gunnarn   und feßelten ihn

Mit schweren Banden,   der Burgunden Schwäger.

19
Sieben schlug Högni   mit scharfer Waffe;

Den achten warf er   in heiße Ofenglut:
So soll sich der Wackre   wahren vor Feinden.

20
Högni wehrte   Gewalt von Gunnar.

Sie fragten den Fürsten,   ob Freiheit und Leben
Der Gotenkönig   mit Gold wolle kaufen.

21
„Mir soll Högnis Herz   in Händen liegen:

Blutig aus der Brust   des besten Reiters
Schneid es das Schwert aus   dem Königssohn.“

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/231&oldid=- (Version vom 31.7.2018)