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Anonym: Edda

Die Magd.
7
Wilmund heißt   des Herschers Vertrauter:

Er wand die Maid   in warme Decken
Fünf volle Winter   ohne des Vaters Wißen. —

8
Sie sprachen, dünkt mich,   dieß und nicht mehr.

Mildreich saß sie   der Maid vor die Kniee.
Kräftig sang Oddrun,   mächtig sang Oddrun
Zauberlieder   der Borgny zu.

9
Da konnte den Kiesweg   Knab und Mädchen treten,

Holde Sprößlinge   des Högnitödters.
Zu sprechen säumte nicht   die sieche Maid;
Dieß war das erste   Wort, das sie sprach:

10
„So mögen milde   Mächte dir helfen,

Frigg und Freyja   und viel der Götter,
Wie du mich befreitest   aus fährlicher Noth.“


Oddrun.
11
Nicht hub ich mich her   dir Hülfe zu bringen

Weil du es werth wärst   gewesen irgend.
Ich gelobte, und leistete   mein Gelübde jetzt,
Beistand zu leisten   allen Leidenden,
Als die Edlinge   das Erbe theilten.


Borgny.
12
Irr bist du, Oddrun,   und ohne Besinnung,

Daß du im Eifer   also sprichst.
Wir lebten doch lange   im Lande zusammen
Zärtlich, wie zweier   Brüder Erzeugte.


Oddrun.
13
Wohl noch weiß ich,   wie du des Abends sprachst,

Als ich Gunnarn   das Gastmal bereitete:
So arge Unsitte,   sprachst du eifernd,
Werde nach mir   keine Maid mehr üben. —

14
Da setzte sich nieder   die sorgenmüde,

Ihr Leid zu künden   aus des Kummers Fülle:

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/225&oldid=- (Version vom 31.7.2018)