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Anonym: Edda

56
„Oddrunen willst du   zu eigen haben;

Aber Atli giebt sie   zur Ehe dir nicht:
Da werdet ihr heimlich   zusammenhalten.
Sie wird dich lieben,   wie ich dich würde,
Hätte das Schicksal   uns Solches gegönnt.

57
„Dich wird Atli   übel strafen:

In die wüste Wurmhöhle   wirst du gelegt.

58
„Darnach unlange   eräugnet es sich,

Daß Atli argen   Ausgang nimmt,
Sein Glück verliert,   das Leben einbüßt.
Ihn tödtet die grimme   Gudrun im Bette
Mit scharfem Schwert,   die schwerbetrübte.

59
„Schicklicher stiege   eure Schwester Gudrun

Heut auf den Holzstoß   mit dem Herrn und Gemahl,
Gäben ihr gute   Geister den Rath
Oder besäße sie   unsern Sinn.

60
„Schwer sprech ich schon;   doch soll Gudrun

Durch unsre Abgunst   nicht untergehn.
Von hohen Wellen   gehoben treibt sie
Zu jenem jähen   Jonakursstrand.

61
„Unentschieden sind   die Söhne Jonakurs;

Swanhilden sendet   sie selbst aus dem Lande,
Die dem Sigurd entsproß   und Ihrem Schooß;
Da rauben ihr Bickis   Räthe das Leben,
Denn Unheil hängt   über Jörmunreks Haus.
So ist Sigurds   Geschlecht vernichtet,
So größer und grimmer   Gudruns Leid.

62
„Eine Bitte   bitten will ich dich;

Ich laß es im Leben   die letzte sein:
Eine breite Burg   erbau auf dem Felde,
Daß darauf uns   Allen Raum sei,
Die samt Sigurden   zu sterben kamen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/207&oldid=- (Version vom 31.7.2018)