Seite:Die Edda (1876).djvu/204

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Anonym: Edda

32
„Du wärest würdig,   Weib, daß wir hier

Dir vor den Augen   den Atli erschlügen,
Daß du sähst an dem Bruder   blutige Wunden,
Quellende Wunden   du könntest verbinden.“

33
Da sprach Brynhild,   Budlis Tochter:

„Wer reizt dich, Gunnar?   gerochen hast du dich.
Den Atli ängstet   deine Abgunst nicht:
Er wird am längsten   leben von euch beiden
Und immer mehr   vermögen als du.

34
(„Laß dir sagen, Gunnar,   du selber zwar weist es,

Wie rasch ihr euch, Recken,   beriethet zur That.
Alljung saß ich   und ohne Sorgen
Mit herlicher Habe   im Hause des Bruders.

35
„Nicht war mir Noth,   daß ein Mann mich nähme,

Als ihr Söhne Giukis   uns erschient im Hof,
Auf Hengsten ihr drei   Herscher der Völker;
Wahrlich mir frommte   wenig die Fahrt!

36
„Verheißen hatt ich mich   dem hehren König,

Der mit Golde saß   auf Granis Rücken.
Nicht war er euch   an den Augen gleich,
Nicht von Antlitz   in Einem Stücke,
Obwohl Volkskönige   euch wähnet auch Ihr.

37
„Doch sagte Atli   mir das allein,

Er gebe die Hälfte   der Habe mir nicht,
Der Macht noch des Goldes,   vermählt denn wär ich.
Auch würde mir nichts   des erworbenen Guts,
Das schon der Vater   früh mir schenkte,
Des Goldes und Gutes,   das er gab dem Kind.

38
„Da schwankte mein Sinn   unentschieden zuerst

Ob ich fechten sollte   und Männer fällen
In blanker Brünne   um des Bruders Unglimpf.
Das hätte das Volk   erfahren mit Schrecken,
Manchem Mann hätt es   den Muth beschwert.

39
„Da ging ich gern   den Vergleich mit ihm ein.

Doch hätt ich lieber   den Hort genommen,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/204&oldid=- (Version vom 31.7.2018)