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Anonym: Edda

24
Gudrun lag,   die Gute, schlafend

An Sigurds Seite   sorgenlos;
Ihr Erwachen war   der Wonne ledig:
Sie floß in Freyrs   Freundes Blut.

25
Da schlug sie so stark   zusammen die Hände,

Der Hartgeherzte   erhob im Bette sich:
„Gräme dich, Gudrun,   so grimmig nicht,
Blutjunge Braut:   deine Brüder leben.

26
„Einen Erben hab ich,   allzujungen

Fern zu fliehn   aus der Feinde Haus.
Die Helden haben   unheimlichen, schwarzen
Neumondsrath   nächtlich erdacht.

27
„Ihnen zeltet schwerlich nun,   und zeugtest du sieben,

Solch ein Schwester-   sohn zum Thing.
Wohl weiß ich   wie es bewandt ist:
Alle des Unheils   Ursach ist Brynhild.

28
„Mich liebte die Maid   vor den Männern all;

Nichts hab ich gegen   Gunnarn gethan.
Ich schirmte die Sippe,   geschworne Eide;
Doch heiß ich der Friedel   nun seiner Frau.“

29
Die Königin stöhnte,   der König erstarb.

Sie schlug so stark   zusammen die Hände,
Daß auf dem Brette   die Becher erklangen,
Und hell die Gänse   im Hofe kreischten.

30
Da lachte Brynhild,   Budlis Tochter,

Aus ganzem Herzen   heute noch einmal,
Denn bis an ihr Bette   durchbrach den Raum
Der gellende Schrei   der Giukistochter.

31
Anhub da Gunnar,   der Habichte Fürst:

„Schlag kein Gelächter auf,   Schadenfrohe,
Heiter in der Halle   als brächt es dir Heil.
Wie hast du verloren   die lautere Farbe,
Verderbenstifterin,   die selbst wohl verdirbt!

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/203&oldid=- (Version vom 31.7.2018)