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Anonym: Edda

7
Die rasche Rede,   nun reut sie mich wieder:

Seine Gattin ist Gudrun,   da ich Gunnars bin.
Üble Nornen schufen uns   langes Unheil.“

8
Oft ging sie, ganz   von Grimm erfüllt,

Über Eis und Gletscher,   wenn der Abend kam,
Daß Er und Gudrun   zu Bette gingen
Und Sigurd die Braut   in die Decken barg,
Der hunische König,   und kos’te der Frau.

9
„Die Freud ist mir entfremdet,   des Freunds entbehr ich,

Nur Graun mag mich ergetzen   und grimmer Sinn.“

10
So mahnte sie den Muth   zum Mord im Zorn:

„Ganz und gar   sollst du, Gunnar, entsagen
Mir zumal   und meinen Landen.
Nicht froh hinfort,   werd ich, Fürst, bei dir.

11
„Dahin will ich wieder   wo ich war zuvor,

Zu meinen Freunden   und nächsten Vettern.
Da will ich sitzen,   verschlafen mein Leben,
So du den Sigurd   nicht sterben läßest
Und vielen Fürsten   furchtbar gebietest.

12
„Fort mit dem Vater   fahre der Sohn:

Unweise wär es   den jungen Wolf ziehn.
Welchem Manne   wird die Mordbuße
Zu sanfter Sühne   bei des Sohnes Leben?“

13
Trübe ward Gunnar   und trauervoll,

Schwankendes Sinnes   saß er den langen Tag:
Immer noch wust er   nicht für gewiss
Was ihm am Meisten   möchte geziemen,
Was ihm zu thun   das Tauglichste wäre:
Er wuste, des Wölsungs   würd er beraubt,
Und konnte Sigurds   Verlust nicht verschmerzen.

14
Gleich lange bedacht er   dieses wie jenes.

Das war selten   geschehen vordem,
Daß der Königswürde   ein Weib entsagte.
Da hieß er den Högni   heischen zum Gespräch,
Denn volles Vertrauen   trug er zu dem.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/201&oldid=- (Version vom 31.7.2018)