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Anonym: Edda

25. Sigrdrîfumâl.
Das Lied von Sigurdrifa.

Sigurd ritt hinaus nach Hindarfiall und wandte sich südwärts gen Frankenland. Auf dem Berge sah er ein großes Licht gleich als brennte ein Feuer, von dem es zum Himmel emporleuchtete. Aber wie er hinzukam, stand da eine Schildburg und oben heraus ein Banner. Sigurd ging in die Schildburg und sah, daß da ein Mann lag und schlief in voller Rüstung. Dem zog er zuerst den Helm vom Haupt: da sah er, daß es ein Weib war. Die Brünne war fest als wär sie ans Fleisch gewachsen. Da ritzte er mit Gram die Brünne durch vom Haupt herab und darnach auch an beiden Armen. Darauf zog er ihr die Brünne ab; aber sie erwachte, richtete sich empor, sah den Sigurd an und sprach:


1
Was zerschnitt mir die Brünne?   Wie brach mir der Schlaf?

Wer befreite mich   der falben Bande?


Sigurd.

Sigmunds Sohn:   eben zerschnitt
Das Wehrgewand   dir Sigurds Waffe.


Sigurdrifa.
2
Lange schlief ich,   lange hielt mich der Schlummer,

Lange lasten Menschenlooße.
So waltete Odhin,   ich wuste nicht
Die Schlummerrunen abzuschütteln.


Sigurd setzte sich nieder und frug nach ihrem Namen. Da nahm sie ein Horn voll Meths und gab ihm Minnetrank.


3
Heil dir Tag,   Heil euch Tagessöhnen,

Heil dir Nacht und nährende Erde:
Mit unzorngen Augen   schaut auf Uns
Und gebt uns Sitzenden Sieg.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/191&oldid=- (Version vom 31.7.2018)