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Anonym: Edda

131
Willst du ein gutes Weib   zu deinem Willen bereden

Und Freude bei ihr finden,
So verheiß ihr Holdes   und halt es treulich:
Des Guten wird die Maid nicht müde.

132
Sei vorsichtig,   doch seis nicht allzusehr,

Am meisten seis beim Meth
Und bei des Andern Weib;   auch wahre dich
Zum dritten vor der Diebe List.

133
Mit Schimpf und Hohn   verspotte nicht

Den Fremden noch den Fahrenden.
Selten weiß   der zu Hause sitzt
Wie edel ist, der einkehrt.

134
Laster und Tugenden   liegen den Menschen

In der Brust beieinander.
Kein Mensch ist so gut,   daß nichts ihm mangle,
Noch so böse,   daß er zu nichts nützt.

135
Haarlosen Redner   verhöhne nicht:

Oft ist gut was der Greis spricht.
Aus welker Haut kommt   oft weißer Rath;
Hängt ihm die Hülle gleich,
Schrinden ihn auch Schrammen,
Der unter Wichten wankt.

136
Das rath ich, Loddfafnir,   vernimm die Lehre,

Wohl dir, wenn du sie merkst.
Den Wandrer fahr nicht an,   noch weis ihm die Thür:
Gieb dem Gehrenden[WS 1] gern.

137
Stark wär der Riegel,   der sich rücken sollte

Allen aufzuthun.
Gieb einen Scherf[WS 2];   dieß Geschlecht sonst wünscht
Dir alles Unheil an.

138
Dieß rath ich, Loddfafnir,   vernimm die Lehre,

Wohl dir, wenn du sie merkst:
Wo Äl getrunken wird,   ruf die Erdkraft an:

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gehrende – fahrende Leute, Bettler (Deutschen Rechtswörterbuch).
  2. Scherf – kleinste Münze (DWB).
Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/062&oldid=- (Version vom 18.8.2016)