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Anonym: Edda

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Volle Speicher sah ich   bei Fettlings Sproßen,

Die heuer am Hungertuch nagen:
Überfluß währt   einen Augenblick,
Dann flieht er, der falscheste Freund.

78
Der alberne Geck, gewinnt er etwa

Gut oder Gunst der Frauen,
Gleich schwillt ihm der Kamm,   doch die Klugheit nicht;
Nur im Hochmuth nimmt er zu.

79
Was wirst du finden,   befragst du die Runen,

Die hochheiligen,
Welche Götter schufen,   Hohepriester schrieben?
Daß nichts beßer sei als Schweigen.

* * *

80
Den Tag lob Abends,   die Frau im Tode,

Das Schwert, wenns versucht ist,
Die Braut nach der Hochzeit,   eh es bricht das Eis,
Das Äl, wenns getrunken ist.

81
Im Sturm fäll den Baum,   stich bei Fahrwind in See,

Mit der Maid spiel im Dunkeln:   manch Auge hat der Tag.
Das Schiff ist zum Segeln,   der Schild zum Decken gut,
Die Klinge zum Hiebe,   zum Küssen das Mädchen.

82
Trink Äl am Feuer,   auf Eis lauf Schrittschuh,

Kauf mager das Ross   und rostig das Schwert.
Zieh den Hengst daheim,   den Hund im Vorwerk.

83
Mädchenreden   vertraue kein Mann,

Noch der Weiber Worten.
Auf geschwungnem Rad   geschaffen ward ihr Herz,
Trug in der Brust verborgen.

84
Krachendem Bogen,   knisternder Flamme,

Schnappendem Wolf,   geschwätziger Krähe,
Grunzender Bache,   wurzellosem Baum,
Schwellender Meerflut,   sprudelndem Keßel;

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/055&oldid=- (Version vom 31.7.2018)