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Anonym: Edda

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Weist du dir Wen,   dem du wenig vertraust,

Weil dich sein Sinn verdächtig dünkt,
Den magst du anlachen,   und an dich halten:
Die Vergeltung gleiche der Gabe.

46
Jung war ich einst,   da ging ich einsam

Verlaßne Wege wandern.
Doch fühlt ich mich reich,   wenn ich Andere fand:
Der Mann ist des Mannes Lust.

47
Der milde, muthige   Mann ist am glücklichsten,

Den selten Sorge beschleicht;
Doch der Verzagte   zittert vor Allem
Und kargt verkümmernd mit Gaben.

48
Mein Gewand   gab ich im Walde

Moosmännern zweien.
Bekleidet dauchten   sie Kämpen sich gleich,
Während Hohn den Nackten neckt.

49
Der Dornbusch dorrt,   der im Dorfe steht,

Ihm bleibt nicht Blatt noch Borke.
So geht es dem Mann,   den Niemand mag:
Was soll er länger leben?

50
Heißer brennt   als Feuer der Bösen

Freundschaft fünf Tage lang;
Doch sicher am sechsten   ist sie erstickt
Und alle Lieb erloschen.

51
Die Gabe muß   nicht immer groß sein:

Oft erwirbt man mit Wenigem Lob.
Ein halbes Brot,   eine Neig[WS 1] im Becher
Gewann mir wohl den Gesellen.

52
Wie Körner im Sand   klein an Verstand

Ist kleiner Seelen Sinn.
Ungleich ist   der Menschen Einsicht,
Zwei Hälften hat die Welt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Neige – Rest, Bodensatz in einem Gefäß (DWB)
Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/051&oldid=- (Version vom 18.8.2016)