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große, reiche Locke stiehlt sich über die rechte Schulter hinunter. Die Aermel, welche sich in kleinen Bauschen endigen, lassen die vordere Armhälfte unbedeckt. Mit der einen Hand, deren Gelenke goldene Spangen zieren, hält sie das aufgeheftelte Kleid vor dem züchtig mit dem Schleier verhüllten, ungestümen Busen zusammen, mit der anderen Hand reicht sie uns eine rothe Nelke dar. Auf dem Kopfe trägt sie ein einfaches, schwarzsammetnes Mützenhäubchen mit goldverziertem Saume, wo es auf der Stirn anliegt. So drückt sich in diesem Nelkenmädchen rein, frisch und schön die glühende Natursinnlichkeit aus. Zutraulich blicken uns die graudunkeln, freundlichen Augen an, und das sonnengeliebte Gesicht mit den glühenden Lippen scheint zu fragen: bin ich nicht frischer als diese Nelke?

Du schönes Mädchen von Niederland,
Du gleichst der Blume in deiner Hand.

Rembrandt’s Frau im Alter.

Rembrandt selbst ist alt, reich und geizig geworden. Hier sitzt die Genossin seines Lebens mit dem feinen weißen Battisttuche über Kopf und Schultern und wägt aufmerksam die Ducaten, welche er in Amsterdam mit seiner Kunst verdient hat.

Wie sich sein Gemüthsleben in einzelnen Figuren lyrisch darstellt, so drückt es sich nicht minder in seinen figurenreichen Compositionen mährchenhaft aus.

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Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/154&oldid=- (Version vom 31.7.2018)