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die lieber, wenn sie es haben, fressen, saufen und spielen, als arbeiten, die sich um ihre und ihrer Kinder Schulden Nichts bekümmern und das Kreditsystem zu ihrem großen Nachtheile ausbeuten. Besoffene gibt es zuweilen, Raufereien hat es aber während meines Aufenthaltes auf Ybicaba, so viel mir bekannt wurde, doch wenige abgesetzt; ebenso hört man von Seite der schweizerischen und deutschen Kolonisten auch nicht viel von Unzucht u. dgl. Frevel oder Diebstähle an Feldfrüchten sind, wie man sagte, einige vorgekommen. Es hat auch wenige Fälle gegeben, daß Kolonisten auf folgende nicht lobenswerthe Weise zu Geld zu kommen trachteten: Wenn sie z. B. ein eigenes Schwein zum Schlachten gehabt hätten, so faßten sie doch ein solches von der Fazenda und verkauften das ihrige. Die bei Manchen vorkommenden Hauptfehler sind das Trinken von Zuckerbranntwein (Caxaça) und die Trägheit und Liederlichkeit, bei der sie die nothwendigen Arbeiten nicht zu rechter Zeit und nur oberflächlich und schlecht verrichten und sich, wie schon gesagt, um die Schulden Nichts bekümmern. Diese Untugenden oder Sünden haben allerdings während der stattgehabten Untersuchung zu manchen Klagen gerechten Grund gegeben. Aber ich frage, was geschieht auch, um Leute, welche die Neigung oder die Angewöhnung zu einem solchen Leben schon aus Europa mitbrachten, auf einen bessern Weg zu leiten? Sind nicht fast alle Verhältnisse der Art, daß Derjenige, dem es an innerm, sittlichem und religiösem Gehalt mangelt, fast je länger je liederlicher und träger werden muß? Aller Seelsorge und Zurechtweisung von Seite eines Pfarrers sind sie gänzlich beraubt; zudem sehen sie auf der einen Seite, daß sie fast überall übervortheilt und fast planmäßig in immer größere Schulden hineingejagt werden, auf der andern Seite aber, daß sie ohne große Arbeitsamkeit doch nicht verhungern müssen. Liegt da der Gedanke: „Wenn ich es doch zu nichts Anderm, als zu Schulden bringen kann, so will ich mir auch möglichst gütlich thun und mich nicht sehr abmühen,“ nicht sehr nahe? Ich rede hier hauptsächlich von Ybicaba, wo das zur Liederlichkeit