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mag gut oder schlecht sein, das zu entscheiden gehört in den Aufgabenbereich der Philosophen.

Den Arbeitern hilft die Anwendung dieser oder jener Schulweisheit aus der Welt der begrifflichen Unwirklichkeit in ihren Kämpfen nicht das mindeste. Die Aufforderung, sie sollen bei allen Taten die geschichtlichen Gegenwirkungen vorsorglich mit in Rechnung stellen, ist eher geeignet, die Dialektik als Bremse in allen Unternehmungsmut einzuhängen. Ebenso verursacht die Teilnahme an der Gesetzgebung und der Versuch, auf die Regierungsgeschäfte des kapitalistischen Staates Einfluß zu nehmen, nur die Täuschung, die Umwälzung der Gesellschaft könne von anderen Kräften bewirkt werden als von der unter ökonomischen Gesichtspunkten klassenmäßig zusammengefaßten gesamten Arbeiterschaft und den entsprechend organisierten Bauern.

Der Einfluß der Anarchisten auf solche Zusammenfassung kann nur dadurch sichergestellt werden, daß ans Werk gegangen wird. Wie überall die Taktik der Anarchisten von dem Streben bestimmt sein muß, die sittlichen und praktischen Grundsätze der freiheitlichen Lehre zur Anwendung zu bringen, so müssen sie versuchen, schon in der Gegenwart Organe zu schaffen, die Pläne für die föderalistische Wirtschaftsführung der durch die Revolution reif werdenden Gesellschaftsordnung zu entwerfen haben. Dient die Werbung unter den Massen wesentlich dem Zweck, den Umsturz durch die Aufzeigung der Ungerechtigkeit und Widersinnigkeit der kapitalistischen Verhältnisse zu beschleunigen, dient die gewerkschaftliche und erzieherische Arbeit dem Zweck, sich unter den bestehenden Umständen ökonomisch und seelisch kampfbereit zu erhalten, so darf darüber das Ziel der kommunistischen Anarchie nicht aus dem Auge verloren werden. Die Ueberleitung zu diesem Ziel ist nach der Durchführung der politischen Revolution die soziale Revolution.

Die Empörung, die Erhebung, der Entscheidungskampf gegen die alte Gewalt, der Umsturz, die Errichtung revolutionärer Dienststellen, die Sicherung des Errungenen, die Niederhaltung widerstrebender und gegenrevolutionärer Kräfte, das alles gehört zum politischen Teil der Revolution. An welcher Stelle, mit welchen besonderen Aufgaben, mit was für Mitteln sich die Anarchisten in diesen Kampf von Klasse zu Klasse einzureihen haben, wird größtenteils Gewissenssache des einzelnen sein. Er wird seine Entscheidung unter dem Gesichtspunkt zu treffen haben, daß ihn die Zugehörigkeit zur ausgebeuteten Klasse zur restlosen kämpferischen Hingabe an die Klasse verpflichtet, daß er aber zugleich alle Anstrengungen zu machen hat, der Revolution ihren Charakter als international verbindliche Sache der Weltarbeiterschaft zu erhalten, die Selbstentschließung aller beteiligten Kräfte gegen den Anspruch ehrgeiziger, selbstsüchtiger, herrischer und staatlich gesinnter Personen oder Parteien zu verteidigen, die nach Regierungsgewalt über die Revolutionäre gieren, und der Entladung der von Ideen befeuerten Leidenschaften, das ist der sittliche Auftrieb der Revolutionen, die Schöpferlust nicht rauben zu lassen. Die Anarchisten müssen in der Revolution die Schützer der Freiheit sein.

Die soziale Revolution ist ein langwieriger Vorgang, der mit der Niederringung der herrschenden Macht beginnt und nicht endet, bevor die Ordnung der Freiheit nicht alle wirtschaftlichen und menschlichen Beziehungen durchdringt. Dazu bedarf es von der ersten Stunde an der Sicherung des Vertrauens des gesamten werktätigen Volkes zu den tatkräftigen Trägern des revolutionären Willens. Der überzeugungslose Zulauf der Massen zu den parlamentarischen Parteien bei Wahlen hängt von wechselvollen Umständen ab und flutet zwischen politischen und wirtschaftlichen Einflüssen, von launischen Stimmungen, marktschreierischen Schmeicheleien und Verleumdungen verwirrt, hin und her. Die gelegentliche Gewinnung der am wirklichen Kampf unbeteiligten Mehrzahl zur Unterstützung einer um die Beherrschung aller anderen bemühten Gruppe, auch wenn diese Gruppe sozialistische Versprechungen macht, bedeutet keine Einbeziehung der Gleichgültigen in den Kampf. Alle Zähldemokratie bedeutet nur die Vergewaltigung der Tätigen durch die Untätigen. Die Behauptung, die Arbeiter seien bereits die handelnde Kraft der Gesellschaft, sie hätten bereits sozialistische Schulung, sozialistischen Willen, Selbstvertrauen und kritisches Urteil genug, um die Wirkung ihrer Stimmzettel richtig zu bemessen, ist irreführende Lüge. Die ungeheure Ueberzahl der Arbeiter und aller von den Reichtümern Ausgeschlossenen hat gar kein Vertrauen zu sich selbst, aber auch sehr wenig Vertrauen zu denen, die sie nur darum mit Macht bekleiden, weil sie sich selbst die Ordnung der eigenen Dinge nicht glauben zumuten zu dürfen. Sie sind durch autoritäre Beeinflussung entmutigt, selber befreiende Unternehmungen zu wagen; sie sind aber von denselben

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Erich Mühsam: Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Fanal-Verlag Erich Mühsam, Berlin 1933, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Befreiung_der_Gesellschaft_vom_Staat.djvu/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)