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betreten hiermit wieder den Boden der Religionsgeschichte. Schon der Apologet Tatian hat den Dämonen bei der Entstehung leiblicher Krankheiten dieselbe Vermittlerrolle zugedacht, wie sie der Einsiedler für die Genesis seiner dämonologischen Phänomene festhält. „In der Materie, aus der wir bestehen, kommen Krankheiten und Stauungen vor. Die Dämonen aber schreiben sich die Ursachen davon zu, indem sie hinzukommen, sobald das Siechtum eintritt.“[1] Im Organismus treten also aus natürlichen Gründen Störungen auf, wie im Bewußtsein des Einsiedlers schreckhafte Vorstellungen. Dann erst kommen die Dämonen und schreiben sich die Ursache zu. Analog lassen dieselben die Phänomene der vita Antonii auf sich zurückführen, indem sie hinzukommend die inneren Vorstellungsbilder, mit denen der Angstaffekt verbunden ist, in Scheingestalten zur objektiven Darstellung bringen und so den Eindruck erwecken, als werde der Angstzustand ursächlich von ihnen hervorgerufen. Tatian gibt in der Tat dem dämonischen Wirken den weitesten Umfang. „Heimsuchung des Dämonen ist’s, mag einer krank sein oder von Liebe reden, mag einer hassen oder sich zu rächen wünschen. An ihnen haben sie Gehilfen.“[2] Näherhin scheint er besonders epileptische Anfälle auf dämonische Ursachen zurückzuführen. „Der bewunderungswürdige Justinus hat ja mit Recht die Vorgenannten mit Räubern verglichen.[3] Wie diese andere lebendig gefangennehmen und ihren Angehörigen für ein Entgelt wieder ausliefern, so bemächtigen sich auch jene vermeintlichen Götter der Glieder gewisser Menschen, treiben sie durch Träume zu dem Wahnglauben an ihre Kraft[4] und befehlen ihnen vor aller Augen unter das Volk zu gehen. Sind sie dann des Treibens satt, so fliegen sie von den Kranken fort, umgrenzen die von ihnen betriebene Erkrankung und versetzen die Menschen wieder in ihren früheren Zustand.“ Was wir hier aus christlichem Munde hören, das lebte schon seit Jahrhunderten in dem allgemeinen Volksglauben. Man kann sich gar nicht eng genug den Zusammenhang denken, den die alte Welt zwischen Dämonen, Angstaffekten (Phobien), Trugbildern, Fieberkrankheiten herstellte. Ist Morpheus der Gott, welcher in wechselnder Menschengestalt auftritt, so erschreckt Phobetor oder Ikelos durch seine Verwandlung in alle möglichen Tiergestalten. Fit fera, fit volucris, fit longo corpore serpens (Ovid. Met. ll, 638). Den Traumdämon, dem man insbesondere die Erzeugung von allerlei schreckhaften Tierbildern zuschrieb, nennt Lucian (Vera hist. 2, 33) Ταραξίων, den Verwirrer. Antonius seinerseits bezeichnet als wichtigstes Kriterium, an welchem man das Erscheinen der Dämonen erkennen kann, die Verwirrung (τάραχος, c. 36 u. a.) Zahllos sind die Amulette und Zaubersprüche, welche jenem Volksglauben Rechnung tragen. Ein Geierherz als Amulett „verscheucht jeglichen Dämon, Räuber und Tiere“.[5] Die Haut der Robbe wendet „Donner, Gefahren, Behexung, Dämonen, Räuber und


  1. Tatian. Orat. ad Graecos c. 16, ed. Schwartz (Texte u. Unters. IV 1, Leipzig 1888, pg. 18).
  2. Tatian. l. c.
  3. Vgl. zum Ausdruck „Räuber“ auch vit. Ant. 36. 42 und die noch folgenden Zauberformeln.
  4. Tatian. c. 18 pg. 20: οἱ νομιζόμενοι θεοὶ τοῖς τινων ἐπιφοιτῶντες μέλεσιν, ἔπειτα δι’ ὀνείρων τὴν εἰς αὑτοὺς πραγματευόμενοι δόξαν δημοσίᾳ τε τοὺς τοιούτους προϊέναι κελεύσαντες κτλ.
  5. Cyranides III, 3, 5 ed. de Mély et Ruelle, Les lapidaires grecs (Paris 1898) 87, 1; vgl. Tambornino 19. Das Werk stammt aus der Zeit Mark Aurels.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Stoffels: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ferdiand Schöningh, Paderborn 1910, Seite 815. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Angriffe_der_D%C3%A4monen_auf_den_Einsiedler_Antonius_815.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)