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sie ihn fand, zu sich nahm 254 und, indem sie ihn großzog, ihren Sohn nannte. Aber als dieser, 255 das Volk leitend, welches Gott aus Ägypten ausführte, 256 zu dem Berge Sina kam, gab Gott vom Himmel her sein Gesetz, 257 indem er auf zwei Tafeln alle Gerechtsame schrieb, 258 und gebot, dies zu thun. Und wenn jemand ungehorsam sein sollte, so 259 wird er entweder dem Gesetze büßen oder Menschenhänden[1] 260 oder, wenn er den Sterblichen verborgen bleibt, wird er nach allem Rechte zu Grunde gehen. 261 Denn allen gemeinsam hat ’der Himmlische‘[2] die Erde geschaffen 262 und allen (?) [schuf er] auch den besten Sinn in der Brust[3]. 263 Ihnen allein bringt Frucht die kornspendende Erde 264 hundertfältig, und es erfüllten sich (?) die Maße Gottes. 265 Aber auch diesen wird das Unheil kommen, und nicht werden sie 266 der Seuche entfliehen. Auch du wirst, verlassend den herrlichen Tempel, 267 fliehen müssen, da es dein Schicksal ist, den heiligen Boden zu verlassen, 268 und wirst fortgeführt werden zu den Assyriern und sehen müssen, wie deine kleinen Kinder 269 und deine Frauen Knechtsdienste thun bei feindlichen Männern, 270 und aller Besitz und Reichtum wird zu Grunde gehen. 271 Jegliches Land [wird] voll von dir [sein] und jegliches Meer; 272 jedermann wird sich stoßen an deinen Sitten. 273 Dein ganzes Land [wird] von dir verlassen [sein], und der feste Altar 274 und der Tempel des großen Gottes und die hohen Mauern werden 275 alle zu Boden fallen, weil du nicht zu Herzen ’genommen‘[4] hast 276 des unsterblichen Gottes heiliges Gesetz, sondern abirrend 277 elenden Götzen gedient hast und nicht in Furcht 278 den unsterblichen ’Gott‘[5], den Erzeuger aller Menschen, 279 ehren wolltest, sondern die Abbilder sterblicher [Menschen, Geschöpfe] ehrtest. 280 Dafür wird siebenmal zehn Jahre das fruchtbringende Land 281 ganz von dir verlassen sein und der wunderbare Tempel. 282 Aber das schließliche Gute ’erwartet dich‘[6] und größte Herrlichkeit, 283 wie dir der ’unsterbliche Gott‘[7] beschieden hat. Du aber warte, 284 vertrauend auf die heiligen Gesetze des großen Gottes, 285 wann er dein ermattetes Knie aufrecht zum Lichte emporhebt. 286 Und dann wird Gott vom Himmel her einen König senden, 287 ’zu richten‘[8] einen jeden mit Blut und Glanz des Feuers. 288 Es giebt aber einen königlichen Stamm, dessen Geschlecht 289 nicht fallen wird, und dieses wird im Umschwunge der Zeiten 290 herrschen und anfangen, einen neuen Tempel Gottes zu errichten. 291 Und alle Könige der Perser werden beisteuern 292 Erz und Gold und mühevoll bearbeitetes Eisen. 293 Denn Gott wird selbst geben einen heiligen nächtlichen Traum. 294 Und dann wird der Tempel wieder sein, wie er früher war.

295 Als eben mein Geist aufhörte mit dem gottbegeisterten Liede, 296 und ich den großen Erzeuger angefleht hatte, mit dem Zwange aufzuhören, 297 da kam mir wieder die Rede des großen Gottes ins Herz 298 und hieß mich weissagen auf der ganzen 299 Erde und den Königen und ihnen das Künftige in den Sinn legen. 300 Und dies zuerst hat mir Gott in den Geist gegeben zu sagen, 301 wie viel traurige Schmerzen der Unsterbliche gegen Babylon beschlossen hat, 302 weil es ’seinen großen Tempel‘[9] entleerte.

303 Wehe, wehe dir, Babylon, und du Geschlecht assyrischer Männer! 304 Über das ganze Land der Sünder kommt einst Sausen, 305 und allen Boden der Menschen wird Kriegsgetümmel verderben 306 und der Schlag des großen Gottes, des Lenkers [meiner] Lieder. 307 Denn in der Morgenfrühe[10] wird er über dich, Babylon, einmal von oben herabkommen; 308 aber vom


  1. Auch „durch das Gesetz“ und „durch Menschenhände“ läßt sich übersetzen, ohne daß der Sinn dadurch klarer würde.
  2. Castalio (nach V. 247); Hdschr. „(allen) Himmlischen“.
  3. Oder mit leichter Änderung (Opsopoeus) nach V. 585 „und Glauben und den besten“ u. s. w.
  4. Betuleius; Hdschr. „(im Herzen) gehorcht hast“; aber der regierte Kasus stimmt dazu nicht.
  5. Alex.; Hdschr. „Erzeuger der Götter und aller Menschen“.
  6. Alex. mit anderer Verteilung der Buchstaben; Hdschr. „aber zu schließlichem Guten“.
  7. Alex.; Hdschr. „Gott und der Sterbliche“.
  8. Nauck; Hdschr. „er richtet aber“ („wird aber richten“ giebt falschen Vers).
  9. Alexandre; Hdschr. „Gottes großen Tempel“, oder „seinen großen T. Gottes“.
  10. Oder „aus der Luft“.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Blass (Übersetzer): Die Sibyllinen. Tübingen: Mohr Siebeck, 1900, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DieSibyllinenGermanBlassKautzsch2.djvu/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)