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ein Gott ist, der da Regen, Winde und Erdbeben schickt 33 und Blitze, Hungersnöte, Pestilenzen und traurige Regen 34 und Schneegestöber [und] Eis. Was zähle ich es einzeln auf? 35 Den Himmel lenkt er, der Erde Herrschaft ist er selbst[1].

* * *
(Theophilus ebend.)

39 Wenn aber das Gewordene überhaupt auch wieder zu Grunde geht, so kann nicht 40 aus den Schenkeln des Mannes und dem Mutterschoß ein Gott gebildet sein, 41 sondern [es ist] nur ein Gott, der Alleroberste, der 42 den Himmel und die Sonne und die Sterne und den Mond gemacht hat, 43 dazu die fruchttragende Erde und die Wasserwogen des Meers 44 und die hohen Berge und die immerrinnenden Fluten der Quellen; 45 wiederum von den Wassertieren das zahllose, massenhafte ’Geschlecht‘[2], 46 dazu das auf der Erde sich regende ’und vom Kalten sich nährende‘[3] Gewürm 47 und der ’Vögel‘[4] bunte, hellstimmige, zwitschernde, 48 braune [Arten], hell mit dem Gefieder schwirrend, die Luft aufregend mit ihren Flügeln. 49 In die Waldschluchten der Berge aber setzte er das wilde Geschlecht der Tiere 50 und uns, den Menschen, so ordnete er alles Vieh unter; 51 über alles setzte er einen gottgeschaffenen Regierer 52 und ordnete dem Manne das unendlich Mannigfaltige ’und nicht‘[5] zu Erfassende unter. 53 Denn welches Fleisch der Sterblichen kann dies alles erkennen? 54 Vielmehr er selbst weiß es allein, der von Anfang dies geschaffen, 55 der unvergängliche, ewige Schöpfer, im Himmel wohnend, 56 er, der den Guten viel größeren guten Lohn darbringt, 57 den Bösen aber und den Ungerechten Groll und Zorn erregt, 58 mit Krieg und Pestilenz, und thränenreiche Schmerzen. 59 Ihr Menschen, was entwurzelt ihr euch, indem ihr euch eitel erhebt? 60 Schämt euch, daß ihr so ’Katzen‘[6] und Untiere vergöttert! 61 ’Nimmt‘[7] nicht Wahnsinn und Raserei des Geistes auch den ’Verstand‘[8] des Geistes? 62 ’Oder‘[9] naschen [etwa] Götter von Tellern und lecken Töpfe aus? 63 Statt das goldene Himmelsgewölbe ’und die fette Erde‘[10] 64 sieht er [der Gott] Mottenfräßiges und ist mit dichtem Spinnengewebe übersponnen. 65 Schlangen, Hunde und Katzen betet ihr an, ihr Thoren, 66 und verehrt Vögel und kriechende Tiere der Erde, 67 dazu steinerne Bilder und von Händen gemachte Bildnisse 68 und Steinhaufen an den Straßen[11]; das verehrt ihr 69 und vieles andere Eitle, was auch schändlich ist zu sagen. 70 ’Solche‘ Götter sind ’Schädiger‘[12] der thörichten Menschenkinder; 71 aus ihrem Munde schon ’fließt‘[13] todbringendes Gift. 72 Ihm aber, bei dem das Leben ist und unvergängliches ewiges Licht, 73 und der Freude für die Menschen, süßer als Honig, 74 hervorströmen läßt, dem allein beuge den Nacken, 75 und ’er wird‘[14] einen Pfad in frommen Ewigkeiten erschließen (?). 76 Das alles habt ihr gelassen und habt den vollen Kelch der Rache, 77 ganz lauter, mächtig, beschwert, ’gehörig ungemischt‘[15], 78 allesamt in Thorheit [und] in rasendem Sinne geschlürft 79 und wollt nicht nüchtern werden und zu besonnener Vernunft kommen 80 und den König Gott erkennen, den Aufseher über alles. 81 Darum kommt der Glanz brennenden Feuers gegen euch heran; 82 mit


  1. Nach der Emendation von Schwartz u. A.: „die Erde beherrscht er, die Unterwelt regiert er“.
  2. L. γένναν nicht γεννᾶν (Hdschr.) oder γεννᾷ (Konjektur).
  3. Nach Clausers Übers.; ψυχροτραφῆτε st. ψυχοτροφεῖτε (ψυχροτρ.).
  4. Thienemann: Hdschr. „des Viehes“.
  5. Castalio: Hdschr. „leicht“.
  6. Opsopoeus (γαλᾶς statt τάλας). Vgl. 62, wo unzweideutig der ägyptische Katzenkult verhöhnt wird. Unter den „Untieren“ sind nach Bleek die ebenfalls verehrten Krokodile zu verstehen.
  7. Alexandre; in den Hdschr. sinnlose Korruptel.
  8. Alexandre; in den Hdschr. sinnlose Korruptel.
  9. Konjektur: Hdschr. „wenn“.
  10. Clausers Übers. (καὶ πίοντα γαῖαν); gew. Text „statt im goldenen, fetten Himmelsg. zu wohnen“.
  11. Solche Steinhaufen waren dem Hermes heilig.
  12. Alex.; Hdschr. „trugherzige“; „solche“ („diese“) ist von Turnebus eingesetzt.
  13. Castalio; Hdschr. „liegt“.
  14. Der futur. Sinn läßt sich leicht herstellen (überl. ἀνακλῐνοῖ Optat. Fut., unmetrisch), da in den Sibyllinen oft der Opt. Aor. (also -ῑναι) futurischen Sinn hat. Indes, der ganze Vers ist wenig sinnvoll.
  15. Auratus; Hdschr. sinnlos.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Blass (Übersetzer): Die Sibyllinen. Tübingen: Mohr Siebeck, 1900, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DieSibyllinenGermanBlassKautzsch2.djvu/09&oldid=- (Version vom 31.7.2018)