Seite:DieSibyllinenGermanBlassKautzsch2.djvu/07

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

auch anderes hineinmischt: die Königsherrschaft Roms auch über Ägypten (45), die doch erst mit Oktavians Siege anhob, und der aus den Sebastenern, d. h. den Samaritanern, kommende Beliar, d. i. Antichrist (68 ff.). — In 464 ff. wird ein verwüstender italischer Bürgerkrieg geweissagt, wie er jedenfalls 140 v. Chr. noch nicht gewesen war. — Von christlicher Überarbeitung ist das ganze Buch verschont geblieben, denn auch V. 776, wo die Hdschr. „den Sohn Gottes“ statt „den Tempel Gottes“ bieten, ist wohl nur gewöhnliche Verderbnis.

Bei dem verhältnismäßig kurzen 4. Buche kann wenigstens die einheitliche Redaktion unbedenklich angenommen werden. Die Sibylle predigt den einen Gott, preist die Juden, denen beim Endgerichte die Seligkeit in Aussicht gestellt wird; dann kommt Weltgeschichte, bei der auch Xerxes’ Heereszug (76 ff.), der Peloponnesische Krieg (83 ff.) und Alexanders Thaten (86 ff.) Erwähnung finden, und gleich hinter diesen (96 f.) stehen die zwei Verse, die Strabo als sibyllinisch citiert. Hier also ist die heidnische Grundlage deutlich genug und die jüdische Zuthat ebenso, wenn die Zerstörung Jerusalems durch die Römer (115 ff., 125 ff., 136) und die Flucht Neros über den Euphrat (119 ff.) und seine Wiederkehr (138 f.) geweissagt werden. Schließlich Bußpredigt und Verkündigung des Endgerichts. Die späteste erwähnte Thatsache ist der Ausbruch des Vesuv i. J. 79 n. Chr., wonach sich die Zeit der Redaktion ungefähr bestimmt. Christliches zeigt sich auch hier nicht.

Endlich das 5. Buch ist deutlich wieder ein Konglomerat. Zu Anfang steht römische Geschichte bis zu Hadrian und seinen Nachfolgern, V. 1-51, also aus der Zeit der Antonine; aber dann redet wieder ein ägyptischer Jude gegen Ägypten und seinen Götzendienst, und es geht in so buntem Wirrsal weiter, daß hier auch Alexandre keine Einteilung nach Paragraphen versucht hat. Die römische Zerstörung des Tempels kommt mehrfach vor (150 f., 160 f., 398 ff.), auch der wiederkehrende Nero (155 ff., 215 ff., 363 ff.); leidenschaftliche Deklamationen gegen Rom zeigen den erbitterten Juden. Neu in Vergleich zu III und IV ist die Bezugnahme auf den ägyptischen Tempel des Onias und seine Zerstörung, die auf Vespasians Befehl geschah, hier freilich als von den Aethiopen geschehend geweissagt wird (501 ff.). Ferner ist neu die Weissagung von einem Kriege der Gestirne untereinander, kurz behandelt schon 207 ff. und nun in dem wahnsinnigen Finale 512-531 breit ausgeführt. Dies sieht einmal wieder wie ursprünglich heidnisch aus; als christlich gefärbt erscheint nur die eine Stelle 256-259, wiewohl auch hier zunächst von Moses und Josua die Rede ist.

Zu der weitschichtigen Litteratur über die Sibyllinen ist die Zusammenstellung bei Schürer, Jüd. Gesch.³ III, 448 ff., zu vergleichen. Von den Ausgaben der Orakel (Buch I-VIII von Betulejus, Basel 1545 und, mit Castalios Übersetzung, 1555; Opsopoeus, Paris 1599 u. 1607; Buch XI-XIV von Angelo Mai [s. o.]) besitzt grundlegende Bedeutung die von C. Alexandre, 2 Bde. Paris 1841-56; 2. Ausg., ohne die wichtigen Exkurse, 1869; aus neuerer Zeit die von Rzach, Wien 1891. Da bei der Beschaffenheit des Textes und vor allem der des Inhalts eingehende textkritische Erörterungen völlig gegenstandslos sein würden, so hat der Übersetzer den Text zu Grunde gelegt, der aus den Rezensionen von Alexandre und Rzach als der wahrscheinlichst ursprüngliche zu ermitteln war. Übrigens schließt sich die Übersetzung möglichst genau an das Original an und will namentlich auch nicht deutlicher sein als dieses. Die Verse der Sibylla lesen sich in der von Alexandre verbesserten lateinischen versifizierten Übersetzung Castalio’s ganz elegant und leidlich sinnvoll; aber das Original ist nun einmal nicht so, und wer Sinn und Zusammenhang übersetzend hineinlegt, wo keiner ist oder keiner mehr ist, der verfälscht oder erlaubt sich unzulässige Freiheiten. Ein ziemliches Maß von Widersinn ist somit im Texte zugelassen worden; wo indes die Sache ganz arg wurde, sind Punkte gesetzt und in einer Anmerkung das Nötige angegeben.

Die in den Anmerkungen citierten Namen beziehen sich auf folgende Schriften:

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Blass (Übersetzer): Die Sibyllinen. Tübingen: Mohr Siebeck, 1900, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DieSibyllinenGermanBlassKautzsch2.djvu/07&oldid=- (Version vom 31.7.2018)