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Sehnsucht nach Israels Erlösung[1].
Von Salomo; auf Erwartung.

11

1 „Posaunet in Zion mit der Lärmposaune für die Heiligen[2],
laßt in Jerusalem des Siegesboten Stimme hören,
denn Gott hat sich Israels erbarmt, es heimgesucht!
2 Tritt hin, Jerusalem, auf eine Warte und sieh deine Kinder,
vom Aufgang und Niedergang zusammengebracht vom Herrn!
3 Vom Norden kommen sie, frohlockend über ihren Gott;
von den Gestaden fernher hat Gott sie vereint.
4 Hohe Berge hat er ihnen zuliebe zur Ebene erniedrigt;
die Hügel flohen vor den Heimziehenden weg.
5 Die Wälder liehen ihnen Schatten auf ihrem Zug;
allerlei wohlduftende Hölzer ließ Gott ihnen aufsprießen,
6 daß Israel dahinziehe unter dem Schirm der Herrlichkeit ihres Gottes.
7 Thue an, Israel, deine Ehrenkleider,
lege zurecht dein heiliges Gewand;
denn Gott hat das Heil Israels beschlossen für immer und ewig!“
––––
8 Es thue der Herr, was er verheißen über Israel und Jerusalem;
es richte der Herr Israel auf durch seinen herrlichen Namen!
9 Des Herrn [Werk] ist das Erbarmen über Israel immer und ewig.


Tod den Verleumdern![3]
Von Salomo; wider[4] die Zunge der Gottlosen.

12

1 Herr, rette meine Seele vor den gottlosen und boshaften Menschen,
vor der gottlosen und verleumderischen Zunge,
die Lug und Trug redet.
2 Vielgewandt sind die Worte der Zunge eines boshaften Menschen,
wie auf der ’Tenne‘ das Feuer, das ’Halme‘ ’ ‘ [5] verzehrt.
3 Er treibt sein greuliches Wesen[6], indem er Häuser mit lügnerischer Zunge in Brand steckt,
lustig grünende Bäume umhaut[7], von Bosheit entzündet,
Häuser ’ ‘ [8] in Krieg verwickelt mit giftigen Reden.

  1. V. 1-7 sind (Wellh.) in Anführungszeichen zu sehen. Sie sind nicht der Stimmung der Zeit entsprossen, sondern Reproduktion der geläufigen Erwartung. Die Stimmung des Verf. selbst tritt erst in V. 8f. heraus. Zu dem rein typischen Charakter von V. 1-7 stimmt vollkommen, sowohl, daß sie freie Wiedergabe deuterojesasanischer Gedanken und Bilder sind, als besonders, daß ihr Inhalt fast wörtlich in Bar. 5 wiederkehrt. Eine sichere Entscheidung hinsichtlich der Priorität giebt die litterarische Vergleichung beider Texte allein schwerlich an die Hand; aber auch wenn Baruch aus unserer Quelle geschöpft hat, so that er es nur, weil der Inhalt bereits typisch geworden war.
  2. Nicht: mit der heiligen Lärmposaune (Wellh. u. a.); das hieße τοῦ ἁγιάσματος (7b). Es ist die Posaune, mit der die Heiligen (vgl. Ps. 17,1 ff.), d. h. die Frommen (Israel), zum Feste gerufen werden.
  3. Der Psalm läßt an innere Zwistigkeiten denken. Er verrät im übrigen manche Ähnlichkeit mit Ps. 4.
  4. ἐν fällt auf; man erwartet κατὰ. Stand etwa im Hebr. בְּ = gegen? Del. עַל.
  5. Wörtlich nach dem bestbezeugten Texte: wie im Volke (ἐν λαῷ) Feuer, das seine Schönheit (καλλονὴν αὐτοῦ) verzehrt. Allein dieser Text kann nicht wohl ursprünglich sein. Er ist wohl durch Versehen eines Abschreibers entstanden aus ἐν ἅλῳ ... καλάμην αὐτοῦ. Freilich muß auch hier αὐτοῦ, mag es auf ἅλῳ oder auf πῦρ bezogen werden, als überflüssig befremden und ist wohl zu streichen. Anderenfalls müßte man in λαῷ einen Schreibfehler der hebr. Vorlage גוי für גן = Garten erkennen; dann wäre καλλονὴν αὐτοῦ am Platze. Doch hat diese Annahme auch Bedenken gegen sich.
  6. Wörtlich: sein Schrecken [besteht darin], Häuser ... in Brand zu stecken. παροικία giebt keinen Sinn; es ist Übersetzungsfehler auf Grund von מגור, welches ebensowohl מֺגוּר = παροικία, als מָגוֹר Schrecken gelesen werden konnte.
  7. ἐκκόψαι ist abhängig von παροικία bezw. מגור; der Sinn ist bildlich, wie vorher und nachher. — φλογιζούσης παρανόμους kann nach dem griech. Texte nur zu εὐφρ. gehören, wodurch ein unmöglicher, jedenfalls höchst befremdlicher Gedanke entsteht. Mit Besserung des griech. Textes (z. B. φλογὶ ζήλους u. dgl.) ist nicht zu helfen, da sich nicht erklären läßt, wie der jetzige Text entstanden wäre. Hierüber giebt aber die Rückübersetzung ins Hebr. sichere Auskunft. Der Übersetzer las: לכרת עצי משוש מלהט רשע. Er bezog מלהט als Attribut zu משוש und las deshalb מְלַהֵט רֺשֺׁע, während gemeint war: מּׅלַּהֵט רֶשַׁע‎ (=מתלהט‎) oder מׅלַּהַט רֶ׳ = sich entzündend in Bosheit oder durch die Flamme (Glut) der B. (Del. בְּלַהֲטֵי רֶ׳).
  8. Der überlieferte Text hat παρανόμους. Man lese entweder - ως oder streiche das Wort als aus 3b hereingekommen.
Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Kittel (Übersetzer): Die Psalmen Salomos. Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1900, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DiePsalmenSalomosGermanKittelKautzsch2.djvu/015&oldid=- (Version vom 20.11.2016)