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politisch so viel näherstehenden großen Kolonialvölker an Gelegenheit uns voraus. – Und der Orient ist erwacht. Tausende und Abertausende von Bänden moderner und alter Literatur werden alljährlich im Orient gedruckt, 700–800 arabisch gedruckte Zeitungen und Zeitschriften konnten nachgewiesen werden – kurz, hier liegt noch eine ganz gewaltige Stoffülle vor uns, die es jetzt, nachdem die Grundlagen gelegt sind, auch lohnt, ja auf denen es jetzt erst möglich wird, mit moderner wissenschaftlicher Kritik nutzbringende Arbeit zu leisten. Nicht politisch, nein geistig muß der Orient unser werden!

Ähnlich wie mit dem Orient ging es mit dem dunklen Afrika. Soweit die islamische Kulturschicht reicht, wird man es zum Orient rechnen dürfen, aber die Grenze ist schwankend. Die afrikanische Philologie ist noch ein schwaches Pflänzchen. Bei den Hunderten von Sprachen, die zum Teil erst mangelhaft, zum Teil noch gar nicht fixiert sind, mag es tollkühn erscheinen, gewisse Sprachgruppen zu sondern, und doch hat man es mit Recht gewagt. Neben den semitischen Sprachen scheinen sich drei große Hauptgruppen von Sprachen zu sondern, die hamitischen, die Bantu- und die Sudansprachen, letztere noch deutlich als ursprünglich isolierende Sprachen erkennbar, erstere den semitischen nahestehend und die Bantusprachen als ein Mischprodukt. Die ethnographischen Voraussetzungen der Urgeschichte Afrikas scheinen damit übereinzustimmen, aber diese Thesen sind noch umstritten. Die Realienforschung ist in Afrika Ethnographie. Auch hier sind die Fortschritte erstaunlich, und mit Hilfe alter Überlieferungen und einheimischer muhammedanischer Geschichtsquellen, die uns immer reichlicher zufließen, ersteht ein Bild der Geschichte Afrikas, das uns weit über die großartigen Entdeckungen Barths und Nachtigals hinausführt. Man staunt täglich aufs neue, wieviel uns Afrika noch zu erzählen hat.

Bei so viel Stoff ist die Beschränkung auf einige Andeutungen bitter; bitterer ist die Erkenntnis, auf wie wenig Schultern auch heute noch die gewaltige Arbeitslast ruht, die im Interesse des Deutschlands von Morgen geleistet werden muß. Der Ruf nach neuen Arbeitsgenossen verbindet sich mit dem ehrfurchtsvollen Danke an die, welche uns die Wege gewiesen haben.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/59&oldid=- (Version vom 14.9.2022)