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hiermit: die Ergänzung der deutschen Waffenrüstung zu Lande durch die Herstellung des Seepanzers beruhen auf Gedanken und Entschluß Kaiser Wilhelms II. Das Gesetzgebungswerk von der weittragendsten Bedeutung, die soziale Versicherung, ward von 1890 an bis zum heutigen Tage getragen von dem persönlichen Willen des Kaisers. Die Landwirtschaft sieht in dem Kaiser ihren verständnisvollen Förderer und Beschützer. Dem Handel und der Industrie bereitet er die Wege. Für alle Fragen des Verkehrs zeigt er das eindringendste Verständnis, von hoher Warte ruft er der Nation zu: „Navigare necesse est“ , in der bildenden Kunst, in der Archäologie und Naturwissenschaft, in allen Fragen der Technik, in der Medizin und dem Schulwesen, überall sehen wir anregend und führend den Kaiser.

Unverkennbar weisen diejenigen Gebiete des nationalen Lebens, des praktischen wie des geistigen, die sicherste Aufwärtsentwicklung auf, die sich des persönlichen Interesses und Schutzes des Kaisers erfreuen durften. Will man einwenden, daß umgekehrt sich vielfach das Interesse des Monarchen den zeitgemäßen, den entwicklungsfähigsten Gebieten zugewendet habe, so zeigt das gerade, wie sehr die Zeit mit dem Kaiser und der Kaiser mit der Zeit gelebt hat. Es läßt sich schwer feststellen, wo die Grenzen liegen zwischen der Selbsttätigkeit einer besonderen Entwicklung und der Wirkung ihrer Förderung von außen her. Man wird meist der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man erwägt, wie eine Entwicklung sich vollzogen hätte, wenn ihr die führenden Männer nicht freie Bahn geschaffen hätten, sondern ihr hemmend entgegengetreten wären. Keineswegs kann geleugnet werden, daß sich kräftige Strömungen auch gegen den staatlichen Willen durchzusetzen vermögen, daß es immer Gebiete des nationalen Lebens gibt und geben muß, auf denen auch ohne Schutz und Förderung Tüchtiges, ja Großes geleistet wird. In unserer modernen Zeit, in der die soziale Bindung der Volkskräfte nur eine sehr lose ist, wird das häufiger und sichtbarer der Fall sein, als in jener Vergangenheit, die unter starren staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungen stand. Aber wenn wir auch dieser Tatsache uns wohl bewußt bleiben wollen, so wird doch gerade in unserer Zeit der obrigkeitliche Einfluß auf diejenigen Gebiete des nationalen Lebens, die nicht unmittelbar von politischen Entscheidungen erfaßt werden, leicht zu gering angeschlagen. Nichts ist vielleicht so sehr geeignet, ein richtiges und gerechtes Verständnis zu erwecken für den tief hinab ins Einzelne reichende Einfluß des an der Spitze des Staatslebens tätigen Willens und Geistes, wie ein Blick auf die nationale Gesamtentwicklung in diesem vergangenen Vierteljahrhundert, das nirgends unterbrochen war von den tiefen nationalen Erschütterungen im Innern und den großen Eruptionen nach Außen, nach denen wir in der Geschichte gewohnt sind, den Charakter einer Zeit zu bestimmen. Die letzten 25 Jahre, so mannigfaltig die Leistungen auf den einzelnen Gebieten nationaler Betätigung auch sein mögen, haben ihr besonderes Charakteristikum, und dies wird man kaum prägnanter bezeichnen können, als mit dem Namen Kaiser Wilhelms II.

Ein Rückblick, wie ihn diese Bände geben, würde geringen Wert haben, wenn er nichts anderes erreichte, als prüfend die Aufmerksamkeit hinzulenken auf Dinge, die geschehen sind, auf Ereignisse und Wendungen, die sich unabänderlich vollzogen haben. Einer solchen rein historischen Betrachtung fügt sich diese nahe Vergangenheit noch nicht. Und es

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/570&oldid=- (Version vom 14.2.2021)