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zeigt diese Arbeitsweise überall. Es erweist sich als notwendig, mit einer Vereinigung der Kräfte vorzugehen, wie es denn Sitte geworden ist und sich zweifellos auch bewährt hat, die Darstellung großer Zeiträume und umfassender Materien auf eine Mehrzahl von Mitarbeitern zu verteilen. Freilich hat die zunehmende Spezialisierung in unserer Disziplin wie in allen andern auch ihre Schattenseiten. Der Herausarbeitung einer Gesamtauffassung wird sie an sich nicht günstig sein. Allein wir dürfen zum Ruhm unserer Wissenschaft hervorheben, daß bei ihren Vertretern trotz der oft scheinbar ins minutiöseste Detail sich verlierenden Forschungen doch das Streben, die Zusammenhänge der Dinge in ihren innersten Beziehungen zu erfassen, und ebenso die Fähigkeit, große Zeiträume zu umspannen, nicht erloschen oder vielmehr von neuem hervorgetreten sind. Denn die unmittelbar vorausgehende Generation hat in diesen Beziehungen nicht so viel hervorgebracht als die unserige. Von weit greifenden Werken, die der Feder eines einzelnen Autors entstammen, nennen wir Eduard Meyers Geschichte des Altertums, Haucks Kirchengeschichte Deutschlands, Th. Lindners Weltgeschichte, Dietrich Schäfers Deutsche Geschichte und seine Weltgeschichte der Neuzeit. Schäfer hat seine „Deutsche Geschichte“ dem Andenken an G. Waitz und H. v. Treitschke gewidmet. Damit werden der Charakter der Geschichtswissenschaft unserer Tage und die Anforderungen, die man insbesondere auch an die zusammenfassenden Darstellungen stellt, gut umschrieben. Die Geschichtswissenschaft hält fest an der zuverlässigen quellenkritischen Forschung, wie sie Ranke und unter seinen Schülern vor allem Waitz praktisch gelehrt haben, und verbindet damit in Treitschkes Sinn das Aufgeschlossensein für die großen Fragen, die unsere Nation bewegen.

Die Betätigung der Gabe des zusammenfassenden Urteils ist nicht gebunden an die ausführliche Darstellung; auch im kleinen Rahmen hat sie die Möglichkeit, sich glänzend zu bewähren. Einen Anlaß bot vor wenigen Monaten die rückschauende Betrachtung, die zahlreiche deutsche Historiker der Jahrhundertfeier und dem Regierungsjubiläum unseres Kaisers gewidmet haben. Es finden sich darunter solche, die dem Ideal der großen Rede vollauf entsprechen: ein bedeutender Gegenstand; eine allseitig zutreffende und präzise Formulierung des Urteils; die Darstellung ganz ungeschminkt wahr.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/48&oldid=- (Version vom 11.5.2019)