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Rudern, Rodeln, Bergsteigen usw., in Schutz der Naturdenkmäler, in Anlagen von Parks, in Landschafts-Erziehungsheimen kund, sondern auch in der Dichtung, und zwar saugt hier die Natur oft das Menschliche auf, so daß die Personen zu Schemen werden, die nur in den Rahmen des Dorflebens gesetzte Städter sind. Das Gepräge der Echtheit zeigen Landschaft und Bauernseele in den mit niederländischer Sorgfalt entworfenen Skizzen Timm Krögers; außer Frenssen sind Enking, Fehrs, Dreesen, Ilse Frapan, Charlotte Niese für Holstein und Friesland, Georg Engel für Pommern, Lulu v. Strauß für Niedersachsen zu nennen, die in „Judas“ mit wunderbarer Schärfe und Kühle eine der erschütterndsten Bauerntragödien in epischer Form geschaffen hat. Künstler, auf der Scholle erwachsen, schildern auch am treuesten die mit der Scholle untrennbar verbundenen Menschen. Das verrät sich bei Klara Viebig für die Eifel, bei Schäfer, Bock, Holzamer für den Westerwald, bei Anna Croissant-Rust für die Pfalz, für den Schwarzwald bei Hesse, Finckh, Hermine Villinger, Auguste Supper, Karrillon, bei Stegemann und Lienhard für das Elsaß, bei Paul Keller für Schlesien und das Wendenland. In das Land Tirol versetzen uns mit herrlichen Naturschilderungen Hans v. Hoffensthal und Greinz, in die Schweizer Berge Zahn, Heer, Frey und Federer u. a., und Österreich in der ganzen Vielgestaltigkeit seiner Hoffnungen und ungelösten Rätsel tritt uns bei Rudolf Hans Bartsch in einer Darstellung voll Farbenglut und Herzensfrische entgegen; Sonnenschein bergen die Schriften von Wilhelm Fischer-Graz, Emil Ertl, Ginzkey, v. Leitgeb, psychologischen Realismus die von Karl Hans Strobl, leidenschaftliches Temperament die von Eugenie delle Grazie. Große historische Bilder aus Böhmens Vergangenheit entwarf August Sperl, für das Land Steyer Enrica v. Handel-Mazzetti.

Ricarda Huch, Isolde Kurz und Helene Böhlau.

Doch näher als diese Volksgenossin steht der großen Marie Ebner in reiner tendenzfreier Kunstschöpfung die Braunschweigerin Ricarda Huch; ihre Lyrik ist aus so tiefen Quellen entsprungen, ihr „Ludolf Ursleu“ und „Aus der Triumphgasse“ sind von so reifer Schönheit und Weisheit, „Garibaldi“ weist so neue Wege, daß man Ähnliches nur bei unseren Besten findet. „Was ist das Leben des Menschen?“ fragt sie. „Wie Regentropfen, die vom Himmel auf die Erde fallen, durchmessen wir unsere Spanne Zeit, vom Winde des Schicksals hinundhergetrieben. Der Wind und das Schicksal haben ihre unabänderlichen Gesetze, nach denen sie sich bewegen; aber was weiß der Tropfen davon, den sie vor sich herfegen? Er rauscht mit den andern durch die Lüfte, bis er im Sande versickern kann. Aber der Himmel sammelt sie alle wieder an sich und gießt sie wieder aus und sammelt und vergießt wieder und wieder immer dieselben und doch andere.“ – Mahnt Ricarda an Keller, so schuf Isolde Kurz, ohne von C. F. Meyer zu wissen, ihre „Florentiner Geschichten“, ihre Lieder und Gedichte voll edler Plastik, ihre tiefen Klagen („Asphodill“). Diesen beiden edlen Frauen ist nicht der einzelne oder das einzelne oder sie selbst in ihrer Art oder gar die Umwelt das Bedeutsame, sondern das Geschehen selbst, in dem Zeit und Ewigkeit sich spiegeln. Ruhe und in sich gesättigte Lebensauffassung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1551. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/422&oldid=- (Version vom 11.5.2019)