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Bau eiserner Bauwerke; ebenso bekunden die großen süddeutschen Wölbbrücken, z.B. die Gutachbrücke im Schwarzwald, und die Illerbrücke bei Kempten (65 m Stützweite) usf., wesentliche Fortschritte im Bau steinerner Brücken. Schwierigkeiten besonderer Art waren auch in den zahlreichen Fällen zu überwinden, in denen das mit den geforderten Verkehrsleistungen ebenfalls unablässig steigende Achs- und Gesamtgewicht der Lokomotiven zum Umbau schadhaft gewordener Wölbbrücken oder zur Auswechselung älterer, für die neuen Lasten zu schwacher Eisenbrücken unter Aufrechterhaltung des Betriebes, also im letztern Falle zumeist zur Einschaltung neuer Träger, oftmals beträchtlicher Spanne weiten, innerhalb weniger Stunden zwang.

Gleis-Oberbau.

Dieses stetige Anwachsen der Achsdrücke der Lokomotiven – 1888 größtes Gesamtgewicht etwa 45, größter Raddruck 6 bis 7 t, 1913 größtes Gesamtgewicht ungefähr 80, größter Achsdruck 8, in Ausnahmefällen selbst 9 bis 10 t – hat naturgemäß, ebenso wie die Steigerung der Zugsgeschwindigkeiten, wesentlichsten Einfluß auch auf die Weiterbildung und Ausgestaltung der eisernen Spurbahn – des Gleisoberbaues gehabt, die den unablässig Tag und Nacht rollenden Zügen stets einen widerstandsfähigen Weg bieten muß. Den wachsenden Beanspruchungen erwies sich das Langschwellengleis, das 1888 unter 68 500 km gesamten Gleislängen der Haupt- und Nebeneisenbahnen Deutschlands noch mit 5850 km vertreten war, nirgends mehr gewachsen, es ist heute bis auf wenige Anwendungen unter besonderen Verhältnissen verschwunden. Die Gleise sind jetzt ausschließlich durch Querschwellen gestützt und aus Breitfußschienen gebildet, bei deren Formgebung neben den gesammelten Erfahrungen auch die inzwischen wesentlich gestiegene Vervollkommnung der Schienenerzeugung von erheblichem Einfluß gewesen ist. Während im Jahre 1888 das Streckenhauptgleis der meistbefahrenen deutschen Bahnen Schienen von etwa 36 kg/m Gewicht und nur selten über 7,5 m Länge auf Querschwellen von 2,3–2,5 m Länge, meist noch in Kiesbettung, aufwies, zeigt heute ein solches Gleis Schienen von 45–50 kg/m Gewicht und 12–15 m Länge auf 2,7 m langen Schwellen in Steinschlagbettung. Alle Gleisteile und deren Verbindungen sind heute in ihren Einzelheiten der fortgeschrittenen Erkenntnis von den am Gleise wirksamen Kräften entsprechend und derart ausgebildet, daß sowohl die lotrechten Drücke nach und nach in dem erforderlichen Maße so weit verteilt und hierbei verringert werden, daß die Erdmassen der Dämme und Einschnitte diesen Druckwirkungen der Betriebsmittel zu widerstehen vermögen, als auch die oftmals erheblichen wagerechten Kräfte von den Gleisteilen ohne Schaden aufgenommen werden können. Vor allem hat sich in den letzten Jahrzehnten der schwächste Punkt der Gleise, die Laschenverbindung, größter Aufmerksamkeit und anerkennenswerter Fortschritte zu erfreuen gehabt. Zahllos sind die verschiedenen Vorschläge zur Kräftigung dieser höchstbeanspruchten Stellen und wenn auch das Ziel, ihnen dieselbe Widerstandsfähigkeit zu verleihen, welche die Schiene in ihren mittleren Querschnitten besitzt, zurzeit noch nicht vollständig erreicht werden konnte, so sind doch die Fortschritte in dieser Richtung sehr anerkennenswerte, und es ist die Hoffnung nicht unberechtigt, daß in Zukunft ein nahezu stoßfreies Gleis die ideale Bahn für die verkehrenden Züge bilden wird. Dabei ist die Frage nach

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/361&oldid=- (Version vom 20.8.2021)