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II. Eisenbahnen
Von Geh. Hofrat Lucas, Professor an der Technischen Hochschule Dresden.


„Die Welt steht unter dem Zeichen des Verkehrs, er durchbricht die Schranken, welche die Völker trennen und knüpft unter den Nationen neue Beziehungen an.“ Dieses Kaiserwort an der Jahrhundertwende kennzeichnet auch heute noch auf das Treffendste die Aufgaben und Ziele unserer Zeit.

Als machtvollstes Glied aber der dem Verkehre dienenden großen neuzeitlichen Schöpfungen beseitigt heute vor allem die Eisenbahn in allen ihren Formen die Schranke der Entfernung, zeitigt sie durch die Näherrückung der ihrer wirtschaftlichen Kräfte sich bewußt werdenden Völker jenen Wettbewerb und jene großartigen wirtschaftlichen Wechselwirkungen, die unsere Zeit beherrschen.

Mit dem Anwachsen des Verkehrsbedürfnisses der Völker steigerten sich naturgemäß in gleichem Maße die Ansprüche, die Handel und Gewerbe an die Eisenbahnen stellten. Schnelligkeit und Massenhaftigkeit, Regelmäßigkeit und Häufigkeit, Wohlfeilheit und Sicherheit der Beförderung sind die sich nicht immer untereinander in Einklang befindenden Forderungen, deren möglichste Erfüllung heute das Streben jeder Eisenbahnverwaltung, insbesondere jedes Eisenbahnen besitzenden Staatswesens sein muß.

Entwicklung des Eisenbahnwesens.

Dieses unablässige Streben hat in den letzten verflossenen Jahrzehnten überall zu einer ungeahnten Entwickelung des Eisenbahnwesens geführt, in hervorragendem Maße auch im Deutschen Reiche, hier gefördert durch die Segnungen des Friedens, der unserem Vaterlande erhalten blieb, durch die klare Erkenntnis der leitenden Organe von der Wichtigkeit und Bedeutung der Eisenbahnen, durch den Fleiß, die Gewissenhaftigkeit und das Verantwortlichkeitsgefühl aller im Eisenbahnbetrieb Beschäftigten. So bildet das deutsche Eisenbahnwesen heute ein hervorragendes Beispiel deutscher Fähigkeit, Gründlichkeit, Wissenschaftlichkeit und Ausdauer.

Im Jahre 1888 waren die Hauptlinien des deutschen Eisenbahnnetzes in der Hauptsache bereits vorhanden, der Schwerpunkt der weiteren Entwickelung lag daher vor allem in der Anpassung der vorhandenen Eisenbahnen an den unablässig steigenden Verkehr, über dessen Zunahme die nachfolgenden Zahlen Aufschluß geben:

Anzahl 1888
Millionen
1913
(schätzungsweise)
Millionen
Steigerung
um etwa
%
der beförderten Personen 340 1800 430
der zurückgelegten Personenkilometer 9209 43000 370
der beförderten Gütertonnen 200 690 245
der gefahrenen Gütertonnenkilometer 20386 67600 230
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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/358&oldid=- (Version vom 20.8.2021)