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Vertiefung älterer Berechnungsverfahren.

Auch die Verwendung von bereits bekannten Berechnungsverfahren ist in dem zu besprechenden Zeitraum wesentlich vertieft und verbreitert; hier sind zu nennen: das Verfahren der Einflußlinien und das Verfahren der Verschiebungspläne. Die Einflußlinien stammen schon aus den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts; sie wurden von Winkler und Fränkel unabhängig voneinander gefunden. Die Verschiebungspläne, gewöhnlich als Williotsche Verschiebungspläne bezeichnet, sind bereits 1887 als Geschwindigkeitspläne von Mohr veröffentlicht; in der Graphischen Statik von Müller-Breslau sind sie zu der Lösung verschiedenartiger Aufgaben verwertet.

Zu der Berichterstattung über die wissenschaftliche Vertiefung des Brückenbaues mögen nunmehr noch einige besonders wichtige Bücher genannt werden: Mohr, Abhandlungen aus dem Gebiete der technischen Mechanik, Berlin. 1906. Müller-Breslau, Die graphische Statik der Baukonstruktionen. Müller-Breslau, Die neueren Methoden der Festigkeitslehre und der Statik der Baukonstruktionen. 2. Aufl. 1893. 4. Aufl. 1913.

2. Die Anstellung planmäßiger Versuche über wissenschaftliche Fragen des Brückenbaues.

Die vorstehend besprochenen Gesetze werden in mathematische Form gekleidet; das ist nötig für klares Verständnis und die Anwendung auf die im praktischen Leben sich darbietenden Aufgaben. Aber leicht wird die mathematische Seite der Aufgabe überschätzt und die Gefahr ist nicht ausgeschlossen, daß der Forscher den Boden unter den Füßen verliert. Denn auch hier gilt das Dichterwort: Eng beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.

Prüfungsanstalten.

Die Vermittlung zwischen Mathematik und Konstruktion bieten die Prüfungsanstalten, sowohl die Materialprüfungsanstalten, wie die Stationen, welche zur Prüfung besonderer Konstruktionen ins Leben gerufen sind. Im abgelaufenen Vierteljahrhundert wurde mehr und mehr Gewicht auf die Anstellung von Versuchen gelegt. Sollen solche Versuche Aussicht auf Erfolg haben, so müssen sie auf Grund eines wissenschaftlichen Planes angestellt werden, sie bedürfen wissenschaftlich geschulter Leiter, sie müssen neben ihrer Hauptaufgabe auf die Heranbildung brauchbaren Nachwuchses bedacht sein. Diese sich als selbstverständlich ergebenden Anforderungen führten dazu, daß die technischen Hochschulen sich die Schaffung der Prüfungsanstalten und die Pflege der ihnen obliegenden Aufgaben nicht aus den Händen nehmen lassen konnten. So ist denn heute in Verbindung mit den technischen Hochschulen eine stattliche Zahl von Prüfungsanstalten im Betriebe, die teilweise aus älteren Anstalten zu größerer Bedeutung erwachsen, teils neuerdings ins Leben gerufen sind. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, die einzelnen Anstalten, ihre Einrichtungen, besonderen Aufgaben, Maschinen u. dergl. zu besprechen; es soll nur ein Überblick über diese Seite des wissenschaftlichen Fortschritts im Brückenbau gegeben werden.

Die Prüfungsanstalten sind aus kleinen Anfängen zu bedeutender Größe emporgewachsen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1485. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/356&oldid=- (Version vom 20.8.2021)