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Innere Medizin
Von Dr. med. Paul Krause, o. ö. Professor der inneren Medizin an der Universität Bonn


Die innere Medizin hat in den letzten Jahrzehnten außergewöhnlich große Fortschritte zu verzeichnen. Alle Gebiete sind durch große Entdeckungen und durch intensive Durcharbeitung des bisher Bekannten mit neuen Methoden weit vorangekommen. Viele Grenzgebiete haben sich zu selbständigen Fächern entwickelt, so die Laryngologie, Otiatrie, Rhinologie, die Neurologie, die Kinderheilkunde.

Spezialistenfrage.

Die Spezialisierung geht unaufhaltsam weiter, es gibt bereits heute Spezialärzte fast für jedes Organ. Um so wichtiger ist es, daß die allgemeine ärztliche Grundlage auf dem sicheren Boden der Anatomie, der Physiologie, der pathologischen Anatomie und der naturwissenschaftlichen Vorbildung, besonders in Physik, Chemie und Biologie, bestehen bleibe und noch vertieft werde. Jeder Spezialist sollte verpflichtet sein, sich vor dem Übergang in sein Spezialfach eine gute allgemeine ärztliche Ausbildung zu verschaffen, nur dann wird er Gutes leisten und über dem Speziellen das Allgemeine nicht übersehen.

Einfluß der Bakteriologie auf die Entwicklung der inneren Medizin.

Den mächtigsten Einfluß auf alle Zweige der Medizin hat in den letzten 2 Jahrzehnten zweifellos die Bakteriologie ausgeübt, sie hat die diagnostische Erkenntnis wie das therapeutische Handeln in weitestgehendem Maße beeinflußt.

Neben dem Franzosen Pasteur ist als größter Pfadfinder Robert Koch, der wissenschaftliche Begründer der Bakteriologie, zu nennen.

Pasteur, welcher als Sohn eines Lohgerbers 1822 zu Dôle (Jura) geboren wurde und 1895 in Garches bei Sèvres starb, war Chemiker (seit 1867 Professor an der Sorbonne, seit 1889 Leiter des nach ihm genannten Instituts in Paris). Seine Arbeiten über die Fäulnis und Gärung, über die Hefebildung und Mikroorganismen bei denselben, bedeuten einen Umschwung in der ganzen wissenschaftlichen Auffassung, sie sind nicht nur in der Geschichte der Chemie, sondern auch in der Geschichte der Medizin als Großtaten ersten Ranges zu verzeichnen. Es wurde dadurch der Nachweis der Abhängigkeit dieses Prozesses von dem Eindringen pflanzlicher, auf der niedrigsten Stufe organischer Entwicklung stehender Gebilde geführt. Diese Arbeiten führten den Engländer Lister zu Entdeckung der Antisepsis und damit zu einer Umwälzung in der Chirurgie und Geburtshilfe.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/224&oldid=- (Version vom 20.8.2021)