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Tatsachen ergeben. Gewiß wird ein solches durch die Morphologie, Vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte unterstütztes Studium der Tiere dauernd stattfinden müssen und stets notwendig sein, um so mehr als unsere Kenntnis der Tierformen durch die Tätigkeit in den genannten Wissenszweigen einem steten Wechsel und einer steigenden Vervollkommnung unterworfen ist. Untersuchungen auf systematischem Gebiet sind also ganz unentbehrlich und ungemein schätzenswert, was aber nicht verhindert, daß man ihnen zu unserer Zeit längst nicht mehr das gleiche Interesse wie früher entgegenbringt, wenn dieses auch durch Funde eigenartiger Tierformen, wie sie uns durch Expeditionen nach unerforschten Ländern oder aus der Tiefe des Weltmeers zugänglich wurden, gelegentlich wieder auflebt; es sei nur an das im Jahre 1900 am Kongo entdeckte giraffenähnliche Okapi oder an die höchst abenteuerlich gestalteten Tiefseefische und andere Tiefseetiere erinnert, wie sie die marinen Expeditionen in größerer Zahl und verschiedener Form kennen lehrten.

Derartige besonders in die Augen fallende Entdeckungen wie die Tatsache des Eierlegens bei Säugetieren (Monotremen-Kloakentieren), das Auftreten einer Plazenta bei Beuteltieren oder andere hier nicht besonders namhaft zu machende Funde auf dem Gebiet der Vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte rufen gelegentlich das Interesse in etwas höherem Maße wieder wach, als es für diese Wissenszweige augenblicklich vorhanden ist. Freilich möchten wir in dieser Beziehung nicht falsch verstanden und etwa einer Geringschätzung der systematisch-morphologischen und entwicklungsgeschichtlichen Richtung schuldig befunden werden. Im Gegenteil liegt uns daran, zu betonen, daß gerade auch in dieser Hinsicht die moderne Zoologie durch fortgesetzte, unermüdliche Arbeit Ausgezeichnetes geleistet und die Kenntnis der tierischen Organisation andauernd gefördert hat. Ohne diese Arbeitsleistung würden übrigens viele der im folgenden zu charakterisierenden Erkenntnisse kaum erreichbar gewesen sein.

Wie es hier ganz unmöglich ist, den Errungenschaften der Systematik, Vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte auch nur einigermaßen gerecht zu werden, so gilt dies in ähnlicher Weise für die mehr oder weniger mit jenen zusammenfallenden Ergebnisse in den einzelnen Abteilungen des Tierreichs.

Protozoologie.

Eines dieser Gebiete muß jedoch herausgegriffen werden, weil die auf ihm gemachten Fortschritte besonders große sind und die gewonnenen Resultate sich als von sehr weittragender Bedeutung erwiesen. Das ist die allmählich zu einem eigenen Zweig unserer Wissenschaft gewordene Protozoologie, die Lehre von den einzelligen Tieren. Für sie war begreiflicherweise der noch zu erwähnende Aufschwung der Zellenforschung von sehr eingreifender und fördernder Bedeutung. Nicht nur ihr Bau im allgemeinen, sondern auch derjenige ihrer Kerne und vor allem deren Verhalten bei der Fortpflanzung konnte jetzt genauer studiert und einem besseren Verständnis entgegengeführt werden; es sei nur an die hervorragenden Untersuchungen von Bütschli, R. Hertwig und Schaudinn erinnert, um die Namen einiger besonders hervorgetretener moderner deutscher Zoologen zu nennen. Aber nicht nur die Kenntnis der Protozoen selbst und damit diejenige der Zellorganisation und

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/210&oldid=- (Version vom 20.8.2021)