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die von C. Runge ersonnenen Methoden zur graphischen Lösung von Aufgaben über Differentialgleichungen und Fouriersche Reihen scheinen sich bei den Praktikern schnell einzubürgern.

Synthetische Geometrie.

Die neuere synthetische Geometrie hat in Deutschland als Hauptvertreter Th. Reye und R. Sturm, die trotz hohen Alters ihre klassischen Schriften vollendet haben. Reye hat in seiner Geometrie der Lage und in vielen zerstreuten Abhandlungen gezeigt, daß die reine Geometrie durchaus nicht abgeerntet ist, wie manche meinen, und R. Sturm hat in seinem vierbändigen Werke „Die Lehre von den geometrischen Verwandtschaften“ mit jugendlichem Eifer ein „ sorgfältig bearbeitetes und mit besonderer Klarheit geschriebenes Lehrbuch“ geschaffen, das überall von originalen Untersuchungen zeugt. Obgleich aber diese Forscher ein leuchtendes Beispiel für die jungen Mathematiker sind, und obschon E. Kötter in seinem großen Berichte über die Entwicklung der synthetischen Geometrie eine sorgfältige Übersicht über die seit dem sechzehnten Jahrhundert aufgehäufte Literatur, ein bequemes Mittel zur Verfolgung der rein geometrischen Arbeiten geschaffen hat, so ist doch ein Nachlassen in der Hervorbringung von Arbeiten aus der synthetischen Geometrie zu bemerken. Es ist zu befürchten, daß nach den Aufhören der akademischen Tätigkeit der beiden Senioren der synthetischen Geometrie auch die bei ihren Schülern sonst angeregten Schriften aus diesem Gebiete in der Literatur der Dissertationen und ähnlicher Veröffentlichungen verschwinden.

Analytische Geometrie.

Es liegt wohl auch in der Natur der Sache, daß die analytischen Methoden bei der Behandlung geometrischer Gegenstände mit der schnellen Entwicklung der Analysis sich als besonders wirksam erweisen, insofern sich ja die Ergebnisse der letzteren häufig direkt in ein geometrisches Gewand kleiden lassen. Ebensowenig wie bei der Besprechung der Analysis wollen wir etwa auf die Lehrbücher der analytischen Geometrie eingehen. Nur einzelne besondere Erscheinungen mögen kurz erwähnt werden. Eine recht vollständige Übersicht über die bisher behandelten Kurven gab G. Loria in seinem Werke: „Spezielle algebraische und transzendente ebene Kurven. Theorie und Geschichte“ (2. Aufl. 2 Bände, 1910 u. 1911). Ein ähnliches Werk von F. G. Teixeira ist nicht in Deutschland erschienen. Neben diesen umfangreichen Werken sind die beiden kleineren Bücher von H. Wieleitner zu beachten: „Theorie der ebenen algebraischen Kurven höherer Ordnung“ und „Spezielle ebene Kurven“. G. Scheffers lieferte eine „Einführung in die Theorie der Kurven in der Ebene und im Raume“. Zwei andere Bücher beziehen sich auf die Methodik der analytischen Behandlung: G. Kowalewski veranstaltete eine deutsche Ausgabe der „Vorlesungen über natürliche Geometrie“ von E. Cesàro, und R. Mehmke hat in seinem jüngst ausgegebenen ersten Teilbande der „Vorlesungen über Punkt- und Vektorenrechnung“ ein Werk begonnen, in welchem diese „höhere Entwicklungsstufe der analytischen Geometrie “ eine sachgemäße Darstellung erhält.

Die Theorie der algebraischen Kurven und der algebraischen Flächen hat gleichen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/105&oldid=- (Version vom 20.8.2021)