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Die am Wasser gelegenen Werke bevorzugten für das Entladen der Schiffe meist die aus Amerika gekommenen Huntschen Verladebrücken, wobei entweder der Greifer stets den ganzen Weg vom Schiff bis zur Ausladestelle zurücklegt oder das Erz nur in die Höhe hebt, um es in einen Füllrumpf zu verladen, von welchem es mittels Förderkübel, Laufkatze und automatischer Bahn auf die Lageplätze gebracht wird. Die auf die Zufuhr durch die Eisenbahn angewiesenen Werke suchten diese wichtige Frage der Entladung der Rohmaterialien mit Hilfe selbsttätiger Waggonkipper usw. zu lösen, während die in der Nähe der Erzgruben gelegenen Werke ihre Erze auf maschinell betriebenen Hänge- und Seilbahnen beziehen, um sie entweder in Vorratsbehälter zu stürzen, oder unmittelbar ohne Umladen auf die Gicht des Hochofens zu bringen. In der Beförderung der Materialien auf die Gicht sind ebenfalls wesentliche Fortschritte erzielt worden, die alle bezweckten, die Begichtung möglichst automatisch auszuführen. Diese Frage ist durch die Konstruktionen von Bleichert & Co., Stähler, Röchling, Pohlig und anderen auf die verschiedenste Weise gelöst worden.

Bereits in der Mitte der 80er Jahre waren die steinernen Winderhitzer beinahe allgemein eingeführt. Man erzielte dadurch eine Ersparnis an Koks sowie einen beträchtlichen Überschuß an Wind, so daß die Leistung des Hochofens ohne Vergrößerung des Gebläses wesentlich gesteigert werden konnte. Durch Vermehrung der Heizfläche und Vergrößerung der Abmessungen der Winderhitzer sowie durch Verbesserungen der Umsteuerapparate wurden diese Apparate wesentlich vervollkommnet.

Um den Bau des Hochofens haben sich namentlich Lürmann und Burgers durch zahlreiche konstruktive Verbesserungen Verdienste erworben, letzterer besonders dadurch, daß er Bodenstein, Gestell und Rast in Kohlenstoffsteinen ausgeführt hat, welche sich auf zahlreichen Werken bewährt haben. Die Erfindung des gußeisernen wassergekühlten Schachtmantels von Burgers fand jedoch in den Kreisen der Interessenten nur geteilte Aufnahme. Als gutes Mittel gegen Roheisendurchbrüche wurde eine wassergekühlte Panzerung des Gestells in verschiedener Ausführung angewendet.

Die automatischen Beschickungsvorrichtungen bedingten die Einführung doppelter Gichtverschlüsse, deren Einrichtung meist nach System Neumark oder Buderus u. a. erfolgte. Mit den vielfachen Verbesserungen der einzelnen Teile des Hochofens ging eine Vergrößerung des Inhalts Hand in Hand. Im Betrieb des Ofens sind ebenfalls Verbesserungen zu verzeichnen, so daß die durchschnittliche jährliche Erzeugung eines Ofens in den letzten 25 Jahren von 19 000 Tonnen auf 65 000 Tonnen stieg. So gestattet die Stichlochstopfmaschine von Dango und Dinnenthal einen bequemen und sicheren Verschluß des Abstiches. Das von Dr. Menne in Creuzthal erfundene Sauerstoffverfahren zum Öffnen des Stichloches hat ebenfalls zur Erleichterung des Hochofenbetriebes beigetragen. Das Brechen der Roheisenmasseln erfolgt ebenso wie ihr Transport häufig auf maschinellem Wege.

Die wichtigste Neuerung im Betrieb ist jedoch in der von Lürmann zuerst vorgeschlagenen Verwendung der Gichtgase in der Gasmaschine zu sehen. Die Gase, welche einen Heizwert von etwa 850 Wärmeeinheiten pro Kubikmeter besitzen, wurden bisher unter Dampfkesseln zur Erzeugung von Dampf verwendet, wodurch der Hochofen in der Lage

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/90&oldid=- (Version vom 20.8.2021)