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Personenverkehr so haben sich auch im Güterverkehr die Tarife fortgesetzt ermäßigt. Eine stattliche Zahl von Güterarten ist in den letzten 25 Jahren aus höheren Tarifklassen in niedere eingereiht, zahlreiche billige Ausnahmetarife sind neu geschaffen worden.

Die deutsche Tarifpolitik suchte der Industrie den Bezug der notwendigen Rohstoffe und Brennmaterialien zu erleichtern, die Ausfuhr ihrer Fabrikate zu fördern und hierbei auch den Wettbewerb der deutschen Schiffahrt zu stärken, der Landwirtschaft Düngemittel und Saatgut unter günstigen Bedingungen zuzuführen, den Lebensmittelverkehr zu verbilligen. Durch niedrige Frachten erlangte das geringwertige Massengut in immer weiterem Umfange die Transportfähigkeit. Ein erst im vorigen Jahre eingeführter preußischer Ausnahmetarif für Erze vom Siegerland nach den oberschlesischen Hochofenstationen übertrifft mit einem Satz von 0,9 Pfennig für das Tonnen-km, wobei eine Abfertigungsgebühr überhaupt nicht zur Erhebung gelangt, alle bisher auf deutschen Eisenbahnen gewährten Ermäßigungen und geht sogar unter die Schiffsfrachten auf leistungsfähigen künstlichen Wasserstraßen herab. Um die großen Entfernungen minder schwer ins Gewicht fallen zu lassen, wurde mehrfach, so bei dem neuen Stückgut- und bei dem Rohstofftarif, von dem System der Staffelung Gebrauch gemacht.

2. Ladefähigkeit der Güterwagen.

Durch die Vergrößerung der Ladefähigkeit der Güterwagen wurde die Wirtschaftlichkeit der Güterbeförderung erhöht. Der 5 t-Wagen der ersten Eisenbahnen ist in Deutschland, zum Unterschied von dem Vorgang der englischen Bahnen, schon sehr bald durch den 10 t-Wagen ersetzt worden. Heute besitzt der deutsche Normalgüterwagen eine Ladefähigkeit von 15 t, und bereits ist mit der Beschaffung von 20 t-Wagen in erheblichem Umfange begonnen worden.

Für den Verkehr ergeben sich aus der allmählichen Abnahme des Bestandes an 10 t-Wagen mancherlei Unbequemlichkeiten. Trotzdem haben die deutschen Landeseisenbahnräte das Vorgehen der Eisenbahnverwaltungen verständnisvoll gebilligt. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika besitzt der Normalwagen eine Ladefähigkeit von 30–40 t, und hierin liegt einer der Gründe dafür, daß der Durchschnittspreis der amerikanischen Frachten fast um die Hälfte niedriger ist als in Europa. Je größer das Ladegewicht, desto geringer ist das tote Gewicht, das im Durchschnitt mit der gleichen Menge Gut befördert werden muß. Auf der Steigerung der einheitlichen Massenleistung beruht im Eisenbahngroßbetrieb eine der wichtigsten Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Fortschritt. Die deutschen Verwaltungen haben wiederholt für die volle Ausnützung großer Wagen tarifarische Vorteile gewährt. Der Weg, den die deutsche Tarifpolitik damit eingeschlagen hat, kann im Zusammenhang mit der fortschreitenden Vergrößerung der Wagengefäße für die weitere Entwicklung der Wirtschaftlichkeit des Gütertransports von großer Bedeutung werden.

3. Sonstige Verbesserungen.

Mannigfache Verbesserungen sind auch auf dem Gebiete des Güterbeförderungs-, Abfertigungs- und Abrechnungsdienstes erzielt worden. In den Jahren 1904/5 wurde ein vereinfachtes

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 889. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/452&oldid=- (Version vom 20.8.2021)