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Die Zölle von fremdem Wein, von Champagner, bilden keine genügende Ausgleichung. So ist das ganze Hauptgebiet der Getränkebesteuerung durch Zoll und innere Steuer auch immer noch nicht entfernt in dem Maße im Deutschen Reich ausgebildet, als es prinzipiell unter den sogenannten indirekten Steuern und neben der hohen Tabakbesteuerung am meisten berechtigt erscheint und als es den Verhältnissen anderer wichtiger Länder, namentlich anderer europäischer Großstaaten, entspricht. Von der Tabakbesteuerung gilt etwas Ähnliches. Sie ist zwar durch Erhöhung der Zölle, besonders in der Reform von 1909, durch Hinzufügung der Zigarettensteuer und eines Wertzolls zum Gewichtszoll, etwas ergiebiger geworden, aber steht auch so noch immer in gar keinem Verhältnis zu den Einnahmen anderer Staaten aus der Tabakbesteuerung in Monopol- oder anderer Form. Neben Salz-, Zuckersteuern, Kaffee-, Petroleumzöllen, neben Zündholzsteuern, stellt ein solcher Zustand der Einnahmen aus Zöllen und indirekten Verbrauchssteuern ein starkes Mißverhältnis dar. Namentlich ist durch das Zurückbleiben der Getränke- und Tabakbesteuerung im Deutschen Reich hinter dem, was bei entsprechender, berechtigter und möglicher Entwickelung dieser Besteuerung zur Stärkung der Reichsfinanzen hätte erreicht werden können, die ganze Finanzlage des Reichs dauernd geschwächt geblieben. Selbst die erfolgte, aber noch nicht ausreichende Erhöhung dieser Besteuerung in den letzten Jahren genügt noch nicht und das langjährige Unterbleiben einer solchen Erhöhung hat es unvermeidlich gemacht, den Staatskredit für die so stark wachsenden Reichsausgaben in so übergroßem Maße in Anspruch zu nehmen. Einzelne erfolgte andere Zollerhöhungen, besonders die ohnehin etwas fragwürdige des Kaffeezolls, die berechtigte, aber auch noch nicht ausreichende Ausdehnung und Erhöhung der Verkehrsbesteuerung (Reichsstempel usw.), die Einführung geringfügiger, sonstiger Reichssteuern wie der Erbschaftssteuer im bisherigen Umfang, haben zur Ausgleichung dieser Lücke im Reichsfinanz- und Steuersystem entfernt nicht ausgereicht und nicht ausreichen können. Die Einführung anderer ergiebiger direkter Reichssteuern, unter denen nach Lage der Dinge am ersten eine ergiebige Erbschaftssteuer nach Analogie der meisten vergleichbaren Staaten hätte in Betracht kommen können, unter ebenso notwendiger, wie zulässiger und berechtigter Ausdehnung auf die direkte Deszendenz (Kinder und Frauen), ist unterblieben. Auch der Reichswehrbeitrag 1913 als einer außerordentlichen einmaligen Vermögenssteuer bietet eben keine dauernde finanzielle Hilfsquelle des Reichs und die Zuwachs-Vermögenssteuer ist unzulänglich. So ist aber die im ganzen ja immerhin gelungene starke Erhöhung der Reichseinnahmen aus Zöllen, inneren Verbrauchssteuern und teilweise auch aus den Verkehrssteuern eben doch einmal der Ergiebigkeit nach nicht ausreichend geblieben, andrerseits aber ist sie, vollends wenn man an die Wirkung der Agrarzölle denkt, im Reiche zu einer zu einseitig auf den großen unteren Volksmassen und teilweise der unteren Mittelklasse ruhenden Belastung geworden. Das ist unter allen Umständen politisch unerwünscht, weil es einer, wenn auch oft sehr übertriebenen prinzipiellen und praktischen Opposition und einer gehässigen und verhetzenden Agitation gegen diese ganze Besteuerung die Wege gewiesen und geöffnet hat. Es ist aber auch, vom Standpunkt gerechter Steuerverteilung aus, nach dem richtigen leitenden Hauptprinzip, diese der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen anzupassen,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/27&oldid=- (Version vom 21.8.2021)