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ganz außergewöhnlich schnelle gewesen, so daß dort Riesenfernsprechämter gebaut werden mußten. Das größte derselben befindet sich in Hamburg mit einer Aufnahme von 80 000 Leitungen. Um den Bedürfnissen entsprechen zu können, ist man in den letzten Jahren vielfach zu der Anwendung des automatischen Systems übergegangen. Die Oberleitungen sind in den Städten ganz verschwunden und durch Kabel ersetzt worden. Welchen Anteil der Fernsprecher und der Telegraph an den durch die Post beförderten Mitteilungen hat, erkennt man daraus, daß im Jahre 1909 von allen beförderten Mitteilungen ca. 74%[1] durch die Briefpost, ca. 25% durch den Fernsprecher und ca. 1% durch den Telegraphen befördert wurden.

Der Fernsprecher hat sich außer für öffentliche Zwecke auch sehr stark in privaten Anlagen eingebürgert und wird dort jetzt in weitem Umfange verwendet. Ein Bild, welche Bedeutung er für Industrie, Handel und Gewerbe im inneren Verkehr besitzt, ergibt sich daraus, daß zurzeit ungefähr zweimal mehr Telephonapparate für privaten Gebrauch in Deutschland hergestellt werden als für den Anschluß an die staatlichen Fernsprechanlagen.

Weitere recht wichtige Gebiete der Fernmeldetechnik sind die elektrischen Signalanlagen, welche im Betriebe der Eisenbahnen, für die Zwecke der Feuermeldung, in Gruben und ähnlichen Anlagen vielfach verwendet werden. Ebenso fallen hierunter die Klingelanlagen, die heute kaum in einem Hause fehlen.

Bau von Maschinen, Apparaten und Ähnlichem.

Obwohl schon vor 1888 elektrische Maschinen gebaut worden sind, so kann man doch den Beginn des eigentlichen Aufschwunges erst in diese Zeit verlegen.

Erst nach Schaffung einer guten theoretischen Grundlage war es der Industrie möglich, marktfähige Produkte zu liefern. Die Entwicklung setzte dann aber auch sehr rasch ein. Während noch im Jahre 1893 das Gewicht eines 10 pferdigen Gleichstrommotors für 1000 Umdrehungen 900 kg betrug, ist dasselbe jetzt auf ungefähr 300 kg heruntergegangen. Es ist einleuchtend, daß es dadurch auch möglich gewesen ist, die Preise wesentlich herunterzusetzen, zumal auch bei dem eingetretenen Massenbedarf die Herstellung sich wesentlich verbilligen ließ. Durch Vervollkommnung der Konstruktion und des Baues der Maschinen ist es gelungen, die Preise derselben so weit zu ermäßigen, daß ein großer Konsum in diesen Maschinen eintrat. Die Leistungsfähigkeit der Elektrotechnik in bezug auf die größten herstellbaren Maschinen ist naturgemäß immer mehr gestiegen, so daß es jetzt möglich ist, Generatoren von 30 000 kVA Motoren von 25 000 PS und Transformatoren von 15 000 kVA herzustellen. Während man anfangs zaghaft mit geringen Spannungen arbeitete, ist es heute möglich, 150 000 Volt sicher zu beherrschen. Für Prüfzwecke ist man sogar jetzt bis zu Spannungen von 1 000 000 Volt gegangen.

In gleichem Maße, wie die Verwendungsmöglichkeit und die Größe der Maschinen gestiegen ist, war es notwendig, die für die Messung und Schaltung benötigten


  1. Archiv für Post und Telegraphie 1912, Seite 646.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/131&oldid=- (Version vom 20.8.2021)