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Materialqualität.

Die Durchführung der Qualitätsverbesserung der Metalle und Legierungen ist durch wissenschaftliche Untersuchungen, sowie namentlich durch die Ausbildung neuer physikalischer, mechanischer und chemischer Untersuchungsmethoden, in erster Linie der „Metallographie“, wesentlich gefördert worden. Es wurden Stahlsorten mit erhöhten Arbeitseigenschaften, hauptsächlich durch die Einführung von bisher nicht zu diesem Zweck benützten Metallen wie Nickel, Chrom, Wolfram, Molybdän usw. erhalten. Auf dem Gebiete der übrigen Metalle hat durch die Einführung der verschiedensten geeigneten Desoxydationsmittel die Materialqualität eine Verbesserung erfahren.

Die legierten Stähle, die sog. Sonderstähle, können in Konstruktionsstähle und Schnelldrehstähle unterschieden werden. Bei den Konstruktionsstählen spielt der Zusatz des Nickels die Hauptrolle, und wir können diese in reine Nickelstähle und in komplexe Nickelstähle einteilen. Erstere werden mit Nickelgehalten von 1–6% und von 25–30% hergestellt. Je nach der Höhe des Kohlenstoffgehalts dieser Nickelstähle entstehen Unterabteilungen mit verschiedenen Arbeitseigenschaften. Setzt man dem Nickelstahl weitere Metalle zu, so entstehen die komplexen Nickelstähle. Als Zusatzmetall hat sich hauptsächlich das Chrom bewährt, und namentlich im Automobilbau werden Chromnickelstähle mit niedrigen Gehalten an Nickel und Chrom, welche eine hohe Bruchfestigkeit und Härte mit großer Dehnung vereinigen, in ausgedehntem Maße angewandt. Durch entsprechende Wärmebehandlung (Vergütung) kann man innerhalb gewisser Grenzen sehr bedeutende Änderungen der Festigkeitseigenschaften dieser Legierungen erzielen. Setzt man diesen Automobilstählen geringe Mengen Vanadium zu, so ist man in der Lage, ihre Eigenschaften noch weiter zu verbessern. Die Manganstähle, welche in der Regel 12–14% Mangan enthalten, zeigen in abgeschrecktem Zustande eine bedeutende Zähigkeit. Sie werden hauptsächlich zu solchen Konstruktionsteilen verwendet, bei denen eine große Widerstandsfähigkeit gegen Abnutzung den Ausschlag gibt. Siliziumstähle mit Konzentrationen bis etwa 5% Silizium dienen hauptsächlich zu Federstahl und Dynamoblechen.

Die sog. Schnelldrehstähle sind von den Amerikanern Taylor und Wight erfunden worden. Sie werden in Deutschland seit über 10 Jahren in vorzüglicher Qualität hergestellt. Während die gewöhnlichen gehärteten Kohlenstoffstähle schon bei Temperaturen von 200° C ihre Härte verlieren, man also nur geringe Schnittgeschwindigkeit bei geringer Spandicke anwenden kann, bleiben die Schnelldrehstähle noch schnittfähig, wenn die Schneidkante dunkelrotglühend geworden ist. Der Hauptbestandteil dieser Stähle ist das Wolfram, das in Mengen bis zu 25% zugesetzt wird. Daneben sind regelmäßig noch 5–6% Chrom vorhanden. In einigen Fällen enthalten die Schnelldrehstähle auch Molybdän und geringe Mengen Vanadium.

Als Desoxydationsmittel für Kupfer und Kupferlegierungen wurde schon vor Beginn der Berichtsperiode der Phosphor in Form von Phosphorkupfer bzw. Phosphorzinn benutzt. Man glaubte früher, daß der Phosphor einen konstituierenden Bestandteil der Legierungen bilden müsse, fand jedoch bald, daß nur dann die besten Eigenschaften erzielt werden, wenn der in der Legierung verbleibende Phosphor nur gering ist. Das

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/102&oldid=- (Version vom 20.8.2021)