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zwei-, andere dreiklassig. Die in der Hauptstadt Windhuk bestehende Realschule schließt vorläufig mit der Tertia ab, soll aber jährlich weiter ausgebaut werden. Die gesamte Schülerzahl, die in den letzten Jahren eine bedeutende jährliche Zunahme zeigte, betrug im Jahre 1912 bereits nahezu 700. Die nach Herstellung besserer Verbindungen erfolgte Ausdehnung des Schulzwanges wird des weiteren günstig auf die Schulverhältnisse wirken. In Ostafrika wurden 1911 in 4 Regierungsschulen 70 und in 3 Missionsschulen 46 weiße Kinder unterrichtet; in Neuguinea 15. In Samoa besteht bezeichnenderweise eine Regierungsschule für Weiße und Mischlinge mit 124 Kindern, während Kamerun und Togo Regierungsschulen für weiße Kinder nicht haben.

Auch das Eingeborenen-Schulwesen hat bedeutende Fortschritte gemacht. Die Zahl der Regierungsschulen, mit denen vielfach Handwerkerschulen verbunden sind, ist in Ostafrika, wo in 8 Haupt- und 89 Nebenschulen über 5000 Schüler unterrichtet werden, aber auch in Kamerun, Togo und Neuguinea vermehrt worden, während man in Südwestafrika daran festgehalten hat, das Eingeborenen-Schulwesen ganz den Missionen zu überlassen. Indes auch in den übrigen Kolonien müssen die Leistungen der Missionen beider Konfessionen auf dem Gebiete des Schulunterrichts rückhaltlos anerkannt werden. Gleich den Regierungsschulen zeigen die Missionsschulen eine starke Zunahme und ergänzen jene, namentlich auf den Innenstationen, auf das Trefflichste. Wenn auch die einheimische Sprache meist als Unterrichtssprache beibehalten worden ist, so wird von den Missionen jetzt fast überall die deutsche Sprache zielbewußt gefördert. Der Umfang der Tätigkeit der Missionen auf dem Gebiete des Schulwesens wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß in unseren Kolonien über 2000 Schulen mit mehr als 100 000 Schülern bestehen.

Auf dem Gebiete der Heidenbekehrung und der Seelsorge wird von den Missionen mit größter Selbstaufopferung und zunehmendem Erfolge gearbeitet, Tüchtiges in der Krankenpflege geleistet und eine umfangreiche Tätigkeit in Waisenhäusern, Siechenhäusern und Polikliniken entfaltet.

Während die kirchliche Fürsorge und Seelsorge der Weißen bei den Katholiken in den Händen der mit der Heidenmission betrauten Priester liegt, haben sich in Deutsch-Südwestafrika und Ostafrika eine Reihe selbständiger evangelischer Kirchengemeinden gebildet, die von besonderen, dem preußischen Oberkirchenrat unterstehenden Geistlichen – in Südwestafrika bereits 7, in Ostafrika 2 – versorgt werden und sich dank der Fürsorge und Unterstützung, deren sie sich durch Oberkirchenrat und Kirchenausschuß erfreuen, sehr gut entwickeln.

Wirtschaftlicher Aufschwung.

Mit dem allgemeinen kolonialpolitischen Umschwung begann auch auf dem Gebiete der mit der Verbesserung der Verkehrsanlagen im engsten Zusammenhange stehenden Kolonialwirtschaft ein neuer Abschnitt: die Periode des wirtschaftlichen Aufschwunges. Von nun an übernahm die Verwaltung auch auf diesem Gebiete die Führung, ohne auf die Mitarbeit der bestens bewährten privaten Organisationen, namentlich des kolonialwirtschaftlichen Komitees, zu verzichten, wohingegen der allgemeine

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/452&oldid=- (Version vom 12.12.2020)