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Maßgabe gesetzlicher Vorschriften. Der Abschluß bei der Generalstaatskasse hat innerhalb dreier Monate nach Schluß des Etatsjahres zu erfolgen; die Übernahme von Ausgaben und Einnahmen in das folgende Etatsjahr kann nur nach Maßgabe der hierfür gegebenen gesetzlichen Vorschriften geschehen. Nach Abschluß des Etatsjahres ist dem Landtag eine Übersicht aller wirklich gemachten Einnahmen und Ausgaben, nebst Mitteilung der Etatsüberschreitungen und der außeretatsmäßigen Ausgaben, vorzulegen. Das gesamte die Feststellung und Ausführung des Staatshaushaltsgesetzes betreffende Material ist sodann der Oberrechnungskammer zu überweisen behufs der ihr durch Art. 104 verfassungsmäßig übertragenen Prüfung, auf Grund deren die verfassungsmäßige Entlastung zu geschehen hat. Die näheren Vorschriften für diese Tätigkeit der Oberrechnungskammer – historisch eines der größten Erbstücke des großen Verwaltungskönigs Friedrich Wilhelm I. – sind in der älteren Gesetzgebung (1872) enthalten; ein Sondergesetz von 1912 ergänzt die älteren Vorschriften insofern, als Rechnungen von geringer Bedeutung nicht regelmäßig geprüft zu werden brauchen, geringe Beträge niedergeschlagen werden dürfen und der Begriff der „Etatsüberschreitung“ gesetzlich fest umgrenzt wird.

Der in der Wissenschaft so heftig geführte Streit, ob der Staatshaushalt nur „formell“ Gesetz oder voll wirksames „materielles“ Gesetz mit allen Rechtswirkungen eines solchen sei, ist durch die oben skizzierte Gesetzgebung im letzteren Sinne entschieden: die den Staatshaushalt ausführenden Staatsorgane sind an das erlassene Gesetz rechtlich gebunden und die hieraus sich ergebenden rechtlichen Wirkungen sind im einzelnen durch den Gesetzgeber so genau, als dies nach der Natur der Dinge möglich ist, festgelegt worden.

4. Staatsgebiet.

Hinsichtlich des Staatsgebietes ist lediglich zu bemerken, daß die von England dem Deutschen Reiche abgetretene Insel Helgoland mit Preußen und zwar mit der Provinz Schleswig-Holstein vereinigt wurde (1890–1891), und daß an den Grenzen gegen fremde Staaten sowohl wie gegen andere deutsche Staaten mehrfach Gebietsveränderungen von geringer Bedeutung erfolgten. In diesem Zusammenhange sei auch erwähnt, daß 1892 die Aufhebung der Beschlagnahme des Vermögens des vormals hannoverschen Königshauses und die Rückgabe dieses Vermögens an die Erben des Königs Georg V. erfolgte.

5. Auswärtiges. – Waldeck.

Die auswärtigen Angelegenheiten Preußens sind fast vollständig im Reiche aufgegangen; nur die Gesandtschaft beim päpstlichen Stuhle ist preußische Gesandtschaft, die einzige im Ausland, verblieben. Außerdem hat Preußen zahlreiche Staatsverträge über Eisenbahnen in den Grenzgebieten mit fremden Staaten abgeschlossen. Mit den nord- und mitteldeutschen Kleinstaaten hat Preußen die bereits früher eingeleitete Politik fortgesetzt, den deutschen Kleinstaaten durch Staatsverträge preußische Staatseinrichtungen in umfassender Weise zur Verfügung zu stellen; es ist dies für die verschiedensten Staatsaufgaben geschehen, teilweise auch in der Form der Errichtung gemeinsamer Behörden (Rechtspflege, Zollwesen). Die umfassendste staatsrechtliche Gestaltung dieses Gedankens enthält der Staatsvertrag,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/186&oldid=- (Version vom 4.8.2020)